Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
könnte er dann aggressiv werden?«
Tania sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Das ... das weiß ich nicht«, sagte sie. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Er ist ein bisschen jähzornig. Ich hab mal gesehen, wie er einen von den Sicherheitsleuten fertiggemacht hat, aber das war nur ... keine Ahnung, so ein Machtspiel, dachte ich. Sie wollen doch nicht sagen, dass er Linda umgebracht hat, weil sie sich nicht von ihm ficken lassen wollte?«
Wenn das Wort Chadwick hatte schockieren sollen, so tat es seine Wirkung. Er war an solche Ausdrücke aus dem Mund hübscher junger Frauen nicht gewöhnt. Doch würde er ganz sicher nicht darauf reagieren und Tania einen Grund zur Genugtuung geben. »Verließ er den Pressebereich in der Zeit, als Sie da waren?«
»Nein. Er koordinierte in erster Linie die Musiker und die Roadies, stellte sicher, dass alles richtig aufgebaut wurde und glatt lief. Es gab ein paar Probleme mit dem Durchsagesystem und so weiter, um die er sich kümmern musste. Und er war der Ansager, kündigte die Bands an. Er hatte die ganze Zeit ziemlich viel zu tun. Ich glaube kaum, dass er die Möglichkeit hatte zu entwischen, selbst wenn er gewollt hätte.«
»Er war also immer zu sehen?«
»Mehr oder weniger. Nicht immer, aber meistens sah man ihn aus den Augenwinkeln irgendwo herumlaufen. Irgendeiner wollte immer was von ihm.«
»Wo war er, als Linda im Wald war?«
»Das weiß ich nicht. Wie gesagt, da war ich vorne, um besser sehen zu können.«
»War Hayes auch da?«
»Nein. Er sagte die Band an, dann verließ er die Bühne.«
»Haben Sie ihn danach noch mal gesehen?«
»Wenn ich es recht bedenke, nein. Aber ich glaube das nicht. Ich glaube nicht, dass er etwas mit dem zu tun hat, was passiert ist.«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Chadwick und erhob sich. »Es ist nur besser, jeden Blickwinkel auszuleuchten, mehr nicht.« In der Tür blieb er stehen. »Bevor ich gehe, sagen Sie mir doch noch, wie Linda sich in den letzten Wochen verhielt.«
»Wie meinen Sie das?«
»Geschah irgendetwas Außergewöhnliches?«
»Nein.«
»War sie nervös, deprimiert oder besorgt?«
»Nein, sie war wie immer. Sie sparte Geld, um nach Indien zu reisen. Sie war ganz aufgeregt deswegen.«
Chadwick, der eine Weile in Indien gewesen war, bevor er während des Krieges in Burma gekämpft hatte, konnte nicht verstehen, warum man deswegen aufgeregt sein sollte. Seiner Meinung nach war das Land dreckig, heiß und unhygienisch. Doch das erklärte die 123 Pfund, 13 Shilling und 5 Pence auf Lindas Postsparbuch. »Ist das alles?«
»Soweit ich weiß.«
»Hatte sie sich in letzter Zeit mit jemandem gestritten?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber ich bezweifle es.«
»Warum?«
»Weil Linda keinen Streit oder Auseinandersetzungen mochte. Sie war ein friedliebender, umgänglicher Mensch.«
»Wurde sie von irgendjemandem bedroht?«
»Du lieber Himmel, nein!«
»Machte ihr jemand Sorgen?«
»Nein. Das Einzige, was sie überhaupt beschäftigte, war die Sache mit Vic Greaves. Die beiden standen sich nicht sonderlich nahe, aber er war immerhin mit ihr verwandt, und bei den zwei, drei Anlässen, als wir die Mad Hatters sahen, ging es ihm zunehmend schlechter. Linda war der Meinung, dass er behandelt werden müsse, aber immer wenn sie Chris darauf ansprach, gab der nur zurück, alle Psychologen machten Gehirnwäsche im Auftrag der Regierung. Und Nervenheilanstalten seien Gefängnisse für wahre Visionäre. Irgendwo hat er wohl recht.«
»Haben Sie oder Linda versucht, etwas wegen Greaves zu unternehmen?«
»Was meinen Sie damit?«
»Haben Sie ihn überredet, sich behandeln zu lassen?«
»Linda hat es mal probiert, aber er weigerte sich schlichtweg.«
»Versuchten Sie, Chris Adams' Meinung zu ändern?«
»Das war ja nicht seine Entscheidung«, sagte Tania. »Nein, niemand wollte daran beteiligt sein, Vic Greaves für geisteskrank erklären zu lassen. So einfach war das.«
»Verstehe«, sagte Chadwick. Dieser Entschluss wunderte ihn nicht nach seinem Gespräch mit den Mad Hatters. Bald würde er sich sowieso noch einmal mit der Band unterhalten müssen. Er öffnete die Tür und trat in den Flur. »Vielen Dank, Miss Hutchison.«
»Kein Problem.«
»Ich muss sagen, Sie sind einer der vernünftigsten Menschen, mit denen ich in dieser Angelegenheit bisher gesprochen
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