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Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht

Titel: Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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wieder zu, und eine junge Frau in einem Supermarktkittel kam herein, den sie sofort auszog und über einen Stuhl warf. »Claire!«, sagte die Mutter. »Ich habe es dir schon hundert Mal gesagt, ich habe es schon tausend Mal gesagt: Häng deinen Kittel auf!«
      Claire warf Annie einen geduldig leidenden Blick zu und tat, wie ihr geheißen. Annie hatte das Mädchen noch nie gesehen, wusste also nicht, womit sie zu rechnen hatte. Claire holte ein Päckchen Dunhills aus der Handtasche und zündete sich mit einem Bic-Feuerzeug eine Zigarette an. Das schmutzig blonde Haar war zurückgebunden, Claire trug eine Jeans und ein weitgeschnittenes Herrenhemd. Es war nicht schwer zu erkennen, dass sie übergewichtig war. Die Jeans spannte, das Fleisch quoll an Hüften und Taille hervor, und ihr ungeschminktes Gesicht hatte einen fahlen Teint: käsige Haut, pickelige Pausbacken, vom Nikotin vergilbte Zähne. Claire hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der schlanken Gestalt jener Mary, die Mel Danvers in Mapston Hall gesehen hatte. Außerdem war Claire zu jung, aber Banks hatte darauf hingewiesen, dass sich Mel Danvers mit dem Alter vertan haben könnte. So, wie Claire sich benahm, wirkte sie auf jeden Fall älter, als sie war.
      Kaum hatte sie sich die Zigarette angezündet, schenkte sie sich ein Glas Wein ein, ohne Annie ebenfalls etwas anzubieten. Nicht dass sie etwas gewollt hätte. Tee war völlig in Ordnung.
      Mrs Toth setzte sich auf einen Sessel in der Ecke. Immer wenn sie einen Schluck trank, klapperte ihre Tasse auf der Untertasse. Im Hintergrund lief leise die Kochsendung.
      »Was wollen Sie?«, fragte Claire. »Mum hat gesagt, Sie sind von der Polizei.«
      »Haben Sie die Nachrichten verfolgt?«, erkundigte sich Annie.
      »Sind mir egal.«
      »Es geht nur darum, dass Lucy Payne vor ein paar Tagen ermordet wurde.«
      Claire überlegte, das Glas schwebte vor ihren Lippen. »Die ...? Aber ich dachte, die säße im Rollstuhl!«
      »Saß sie auch.«
      Claire trank einen Schluck Wein, zog an der Zigarette und zuckte mit den Achseln. »Na, was erwarten Sie von mir? Soll ich etwa sagen, es täte mir leid?«
      »Tut es das denn?«
      »Bestimmt nicht. Wissen Sie, was diese Frau getan hat?«
      »Ja«, sagte Annie.
      »Und ihr habt sie einfach laufenlassen.«
      »Wir haben sie nicht einfach laufenlassen, Claire«, versuchte Annie zu erklären.
      »Doch. Angeblich gab es nicht genug Beweise. Nach allem, was sie getan hatte. Nicht genug Beweise! Das ist doch nicht zu glauben, oder?«
      »Sie konnte niemandem mehr etwas zuleide tun, egal wo sie war«, sagte Annie. »Sie konnte keinen Muskel mehr bewegen.«
      »Darum geht es nicht.«
      »Worum geht es dann?«
      »Auge um Auge. Sie hätte nicht weiterleben dürfen.«
      »Aber in England gibt es keine Todesstrafe mehr.«
      »Aber er ist tot, nicht wahr?«
      »Terence Payne?«
      Ein Schatten flog über Claires Blick. »Ja, der.«
      »Stimmt, der ist tot.«
      »Na, dann.« Claire drückte ihre halb gerauchte Zigarette aus und trank noch einen Schluck Wein. »Tut mir leid«, sagte sie. »War ein langer Tag.«
      »Was machen Sie beruflich?«
      »Claire sitzt hier im Supermarkt an der Kasse«, antwortete ihre Mutter. »Nicht wahr, mein Schatz?«
      »Ja, Mutter.« Trotzig sah sie Annie in die Augen.
      Darauf war nicht einfach zu antworten. Man konnte kaum sagen: »Oh, das ist aber interessant.« Es war ein Job, ein ehrlicher Job, aber das Mädchen tat Annie leid. Nach allem, was sie gelesen hatte, war Claire ein kluges, hübsches junges Mädchen von fünfzehn Jahren mit einer großen Zukunft gewesen: GCSE-Ab-schluss, dann A-Levels, Universität, eine akademische Karriere, aber es war etwas geschehen, das dem ein Ende bereitete: Terence und Lucy Payne. Claire hatte es zu deutlich weniger gebracht als erwartet und hasste ihren Körper. So was hatte Annie schon öfter gesehen. Es hätte sie nicht gewundert, wenn sie unter den langen Ärmeln von Claires Pulli selbstzugefügte Brand- oder Schnittwunden gefunden hätte. Sie fragte sich, ob Claire psychologische Unterstützung bekommen hatte, fand dann aber, es gehe sie nichts an. Annie war schließlich nicht die Sozialarbeiterin; sie war hier, weil sie Informationen über einen Mord brauchte.
      »Kannten Sie Lucy Payne überhaupt?«
      »Vom Sehen, beim Einkaufen und so. Alle wussten, wer sie war. Die Frau vom Lehrer.«
      »Aber Sie sprachen nie

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