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Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht

Titel: Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Vielleicht mochten die meisten ihrer Gäste keine abstrakte Kunst. An der Wand hing ein großer Flatscreen-Fernseher, die andere Seite wurde von einer teuren Anlage von Bang & Olufsen eingenommen. In allen vier Ecken standen kleine Lautsprecher, aus denen sehr sanfte Orchestermusik drang. Annie wusste nicht, was es war, konnte aber auch keine erkennbare Melodie ausmachen, und nahm deshalb an, es sei Musik aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Dies war die sehr moderne Wohnung einer sehr modernen jungen Frau. Annie überschlug kurz, dass Sarah um die vierzig sein musste, also in ihrem Alter.
      Sarah Bingham selbst war vollkommen durchgestylt - von ihrem aschblonden Haar, so fachmännisch gefärbt und geschnitten, dass es natürlich wirkte, bis zu dem weißen Seidentop und der schwarzen Designer-Cargohose. Die einzige Unstimmigkeit waren vielleicht ihre rosa Plüschpantoffeln. Aber schließlich war sie hier zu Hause. Annie kam sich ziemlich schäbig vor in ihren Levi's und dem schwarzen Rollkragenpullover. Außerdem hatte Sarah Bingham einen geschmeidigen Körper, wie man ihn nur bei einer täglichen Stunde Training im Fitnessstudio bekam. Zu so was hatte Annie gar keine Zeit, selbst wenn sie Lust dazu gehabt hätte. Ein weißes MacBook stand, umgeben von Unterlagen und Aktenordnern, auf dem Schreibtisch aus Chrom und Glas am Fenster. So viel zum Thema papierloses Büro, dachte Annie. Eine Handtasche von Hermes lag wie beiläufig auf einem Stuhl.
      »Ich weiß nicht, was ich für Sie tun kann«, sagte Sarah und nahm in einem Designersessel Platz, »aber Sie haben mich auf jeden Fall neugierig gemacht.« Ihr Akzent war ein wenig vornehm, aber wie alles andere an ihr wirkte er natürlich.
      »Es geht um Kirsten Farrow.«
      »Ja, das sagten Sie schon am Telefon.« Sarah machte eine unbestimmte Handbewegung. »Aber das ist alles so lange her.«
      »An was können Sie sich noch erinnern?«
      »Ah, warten Sie. Also, Kirsty und ich lernten uns an der Uni kennen. Wir studierten beide englische Literatur. Ich war ganz versteift auf feministische Literaturkritik und so, Kirsty machte eher Traditionelles: F. R. Leavis, I. A. Richards und so weiter. Sehr unmodern in den wilden Tagen des Dekonstruktivismus.«
      »Wie war das mit dem Überfall?«, fragte Annie, die ihre kostbare Zeit nicht mit Literaturkritik verschwenden wollte.
      »Das war furchtbar«, sagte Sarah. »Ich besuchte sie damals im Krankenhaus, und sie war ... Ich meine, es dauerte Monate, bis sie wieder einigermaßen zurechtkam. Wenn überhaupt.«
      »Was meinen Sie damit?«
      »Vielleicht kommt man über so was nie richtig hinweg. Ich weiß es nicht. Sie?«
      »Nein«, sagte Annie, »aber man kann lernen, trotzdem zu funktionieren. Verbrachten Sie damals viel Zeit mit ihr?«
      »Ja«, erwiderte Sarah. »Ich fand es wichtig, bei ihr zu sein, auch wenn alle anderen schnell weitermachen wollten.«
      »Und was war mit Ihrem Leben?«
      »Das stand auf Pause. Ich wollte meine Doktorarbeit über viktorianische Prosa schreiben. Ich wollte Professorin für Englisch werden.« Sie lachte.
      »Tatsächlich?«
      »Ja. Aber schon im ersten Jahr langweilte mich das alles. Ich brach ab und reiste eine Zeitlang durch Europa, wie man das so machte, und als ich zurückkam, schrieb ich mich auf Vorschlag meiner Eltern für Jura ein.«
      Annie sah sich um. »Ihnen scheint es gutzugehen.«
      »Ja, es läuft nicht schlecht. Ich habe ein paar Jahre verloren, aber das hatte ich schnell wieder aufgeholt. Jetzt bin ich einer der jüngsten Teilhaber in einer der größten Anwaltskanzleien im Nordosten. Möchten Sie etwas trinken? Sie sind so weit gefahren. Wie unhöflich von mir, Ihnen nichts anzubieten.«
      »Schon gut«, sagte Annie. »Ich würde etwas Kaltes, Prickelndes nehmen, wenn Sie so was haben, danke.« Nach Banks' Besuch am Vorabend hatte sie mehr Wein getrunken, als sie vorgehabt hatte, dadurch hatte Annie jetzt einen trockenen Mund. Sie bedauerte, Banks wegen Eric angelogen zu haben, aber manchmal war es die einzige Möglichkeit, sich jemanden vom Leib zu halten. Banks und Winsome mochten ja gute Absichten haben, aber was Annie im Moment am wenigsten brauchte, waren Leute, die sich in ihr Leben einmischten.
      Sarah stand auf. »Also etwas Kaltes, Prickelndes«, sagte sie und ging zum Barschrank. Sie kehrte mit einem gekühlten Perrier auf Eis für Annie und einem Gin Tonic für sich selbst zurück, nahm wieder im Sessel Platz

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