Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
Sir.« Der Constable machte sich auf den Weg.
»Sie ist doch keine Verdächtige, Sir, oder?«, fragte Kerrigan.
»Im Moment«, sagte Banks, »sind alle verdächtig, selbst Sie.« Er grinste. »Wir müssen uns an die Vorgaben halten. Das müssten Sie eigentlich wissen, Constable.«
Kerrigan schluckte. »Ja, Sir.«
»Sie sagten, das Mädchen sei voller Blut gewesen?«, fragte Banks.
»Ja. Es sah aus, als sei es ihr auf Gesicht und Brust gespritzt. Komisch, in dem trüben Licht sah es erst aus wie Sommersprossen.« Kerrigan warf einen nervösen Blick zu Gervaise hinüber, die die Augen verdrehte und stöhnte: »Du lieber Gott, ein poetischer Constable!«
»Sagte das Mädchen, woher es kam?«
»Nein, Sir. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass sie in der Nähe war, als es passierte.«
»Haben Sie sie danach gefragt?«
»Ja, Sir, aber sie hat nicht darauf geantwortet.«
»Haben Sie irgendwen oder irgendwas im Labyrinth gesehen oder gehört, als Sie dort waren?«, wollte Banks wissen.
»Nichts, Sir. Null.«
»Musik oder so?«
»Nein, Sir. Nur ein bisschen Trubel vom Marktplatz. Grölende Betrunkene, aufheulende Autos, splitterndes Glas, das Übliche.«
Es kam noch mehr Kaffee, diesmal in einer großen Maschine, so dass alle wussten, es würde eine lange Nacht werden. Zwei Constables stellten sie am hinteren Tischende auf. Irgendjemand war offenbar in der Kantine gewesen und hatte noch mehr Styro-porbecher mitgebracht, außerdem frische Milch, eine Packung Zucker und ein Päckchen Plätzchen mit Feigenfüllung. Alle bedienten sich. Es war unverkennbar Kantinenkaffee, dünn und bitter, doch er tat seine Wirkung. Banks stellte fest, dass seine Hand leicht zitterte, als er die Tasse zum Mund führte. Ein Spätschock. Noch immer konnte er nicht glauben, dass Kevin Templeton tot war, obwohl er es mit eigenen Augen gesehen hatte. Es ergab einfach keinen Sinn. Banks aß ein Plätzchen. Vielleicht half der Zucker ja.
»Hat Chelsea erwähnt, was sie erlebt hat?«, fragte Banks.
»Nein, Sir«, sagte Kerrigan. »Sie war wie betäubt. Fast stumm vor Schreck, wirklich. Das wird was dauern, bis sie wieder richtig schlafen kann, das sage ich Ihnen.«
Ich auch, dachte Banks, schwieg aber. »Gut«, sagte er. »Das haben Sie gut gemacht, Constable Kerrigan. Sie können jetzt gehen. Aber bleiben Sie auf dem Revier. Vielleicht haben wir später noch ein paar Fragen an Sie.«
»Natürlich, Sir. Danke, Sir.«
Kerrigan ging. Eine Weile sagte niemand etwas. Dann fragte Gervaise: »Kennt jemand die Eltern von Templeton? Ich meine, sie wohnen in Salford.«
»Das stimmt«, bestätigte Banks. »Ich habe sie mal kennengelernt, vor ein paar Jahren, als sie ihn hier in Eastvale besuchten. Nette Leute. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass er nicht besonders gut mit ihnen zurechtkam. Hat nie viel von ihnen erzählt. Man muss es ihnen sagen.«
»Ich kümmere mich darum«, sagte Gervaise. »Ich weiß, dass DS Templeton nicht gerade der beliebteste Kollege war, aber das wird keinen davon abhalten, seine Arbeit zu tun.« Nachdrücklich schaute sie Winsome an, sagte aber nichts. »Also gut«, fuhr Gervaise fort. »Wenn das klar ist, können wir uns an die Arbeit machen. Hat jemand eine Theorie?«
»Nun«, begann Banks, »zuerst müssen wir uns wohl fragen, was Kev kurz vor Mitternacht im Labyrinth zu suchen hatte.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass er Chelsea Pilton vergewaltigen und töten wollte?«, fragte Gervaise.
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Banks, »obwohl wir unsere Pflichten vernachlässigen würden, wenn wir diese Möglichkeit nicht in Erwägung zögen.«
»Haben Sie, abgesehen von dieser unangenehmen Vorstellung«, sagte Gervaise, »noch andere Theorien, die zu bedenken wären?«
»Gesetzt den Fall, Kev war nicht der Labyrinth-Mörder«, sagte Banks, »halte ich es für gut möglich, dass er da war, um den Mörder auf frischer Tat zu ertappen. Können Sie sich an unsere letzte Besprechung erinnern, als er überzeugt war, es handele sich um einen Serienmörder, der bald wieder zuschlagen würde?«
»Und ich habe mich über ihn lustig gemacht«, sagte Gervaise. »Ja, daran müssen Sie mich nicht erinnern.«
»So war das nicht gemeint, Ma'am«, sagte Banks. »Sie hatten recht. Wir hatten keine Hinweise, die die Kosten eines flächendeckenden Einsatzes gerechtfertigt hätten. Es sieht ganz so aus, als hätte
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