Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
gewesen sein.«
»Was für ein Hut?«
»Weiß nicht. Ein Hut halt. Mit Krempe.«
»Welche Farbe?«
»Schwarz.«
»Wie alt mag die Frau gewesen sein?«
»Schwer zu sagen. Ich habe ihr Gesicht nicht richtig gesehen. Aber eher alt. Nach ihren Bewegungen und ihrem Aussehen zu urteilen, würde ich sagen, Ende dreißig, Anfang vierzig.«
Annie ging nicht näher darauf ein. »War sonst noch etwas an ihr auffällig?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Gut. Haben Sie das Auto der Frau gesehen? Sie kann ja kaum zu Fuß gekommen sein.«
»Nein«, sagte Mel. »Ich meine, ich war die ganze Zeit im Haus. Vielleicht hat es einer draußen stehen sehen.«
»Haben Sie eine Kamera auf dem Parkplatz?«
»Nein. Haben wir hier gar nicht. Ich meine, es ist ja nicht so, dass die Patienten hier unter Bewachung stehen oder ... keine Ahnung, dass sie weglaufen oder so.«
»Wie reagierte Karen auf den Vorschlag, mit Mary nach draußen zu gehen?«
Mel drehte an ihrem Ring und errötete. »Gar nicht. Ich meine, das k-konnte sie ja nicht, oder? Karen war querschnittgelähmt. Außerdem konnte sie nicht sprechen.«
»Hatte sie hier vielleicht Freunde?«, fragte Annie. »Jemand, mit dem sie öfter mal Zeit verbrachte?«
»Das ist schwer, wenn man sich nicht mitteilen kann«, sagte Mel. »Die meisten führen ein ziemlich einsames Leben. Natürlich sorgen wir Mitarbeiter dafür, dass man alles hat, was man braucht. Wir reden mit den Patienten, erzählen ihnen, was los ist. Es sind wirklich wunderbare Menschen. Und Karen hatte natürlich den Fernseher, aber ... na ja, es geht rein, aber nichts kommt raus.« Mel zuckte mit den Schultern.
»Sie können also nicht sagen, ob Karen Mary erkannte? Oder ob sie mit ihr gehen wollte?«
»Nein. Aber warum sollte diese Mary ... ich meine ...« Mel begann zu weinen. Grace holte ein Taschentuch hervor, reichte es ihr und legte ihr wieder die Hand auf die Schulter. »Warum sollte einer mit Karen nach draußen gehen, wenn er sie gar nicht kennt?«, fuhr Mel fort. »Warum sollte man das tun?«
»Nun, ich denke, wir wissen die Antwort darauf«, sagte Annie. »Jemand wollte mit ihr allein an einem abgelegenen Ort sein, um sie zu töten. Fragt sich nur, warum. War Karen wohlhabend?«
»Ich glaube, sie hatte ein wenig Geld durch den Verkauf ihres Hauses«, sagte Grace, »aber das ging sicherlich alles in ihre Pflege. Nein, ich würde nicht sagen, dass sie wohlhabend war.«
»Was ist bei ihr eigentlich passiert?«, fragte Annie.
»Betrunkener Autofahrer«, erklärte Grace. »Wirbelsäule gebrochen. Im komplizierten Bereich. Rückenmarksschädigung. Das kommt viel öfter vor, als man meint. Tragischer Fall.«
»Also gab es Geld von der Versicherung?«
»Egal, wie viel es war, es ging alles in ihre Pflege.«
»Seit wann war sie hier?«
»Seit gut drei Monaten.«
»Woher kam sie?«
»Aus einem Krankenhaus namens Grey Oaks bei Nottingham. Ist auf Rückenmarksverletzungen spezialisiert.«
»Wie kam es, dass sie ausgerechnet hier landete? Wie läuft so was?«
»Unterschiedlich«, sagte Grace. »Manchmal sind es die Verwandten, die von uns gehört haben. Manchmal geht es über den Sozialdienst. Im Krankenhaus konnten sie für Karen nichts mehr tun, und sie brauchten das Bett, also sprang der Sozialdienst ein und schlug uns vor. Wir hatten ein Zimmer frei, so wurde es dann geklärt.«
»Wissen Sie den Namen des zuständigen Sozialarbeiters?«
»Der müsste in der Akte stehen.«
»Hat Karen Verwandtschaft?«
»Nicht dass ich wüsste«, erwiderte Grace. »Ich muss in den Akten nachsehen.«
»Ich würde die Akten gerne mitnehmen.«
Grace überlegte. »Ja, sicher. Glauben Sie wirklich, es ging dabei um Geld?«
»Ich weiß nicht, um was es ging«, entgegnete Annie. »Ich lote nur alle Möglichkeiten aus. Wir müssen mehr über Karen Drew und über das Leben vor ihrer Einlieferung in Erfahrung bringen, wenn wir weiterkommen wollen. Da uns in dieser Hinsicht niemand besonders helfen kann, richten wir unsere Bemühungen vielleicht besser auf etwas anderes.«
»Wir haben Ihnen alles gesagt, was wir wissen«, entgegnete Grace. »In den Akten müsste noch so einiges stehen.«
»Vielleicht.« Annie warf Mel einen Blick zu, die sich jetzt zusammenriss und an einem Keks knabberte. »Wir brauchen so schnell wie möglich eine Beschreibung dieser Mary.
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