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Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht

Titel: Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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sicher, dass Sie Hayley Daniels nicht den Rest des Abends gefolgt sind und Sie irgendwie in Ihr Lager gelockt haben, um dort das mit ihr zu tun, was Sie wollten?«, fragte Wilson unschuldig mit besorgter Miene. »Vielleicht wollten Sie sie gar nicht töten, aber es kam einfach so? Es wäre für Sie von Vorteil, wenn Sie uns das jetzt sagen würden.«
      Randall stand auf und warf ihm einen Blick zu, als wolle er sagen: Auch du, Brutus. Dann ließ er sich wieder sinken. »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt«, beharrte er. »Sie war mit mehreren Freunden im Pub. Es war das erste und letzte Mal, dass ich sie gesehen habe. Ich habe nicht besonders auf sie geachtet, aber da Sie es erwähnt haben, muss ich zugeben, dass das Mädchen sich von den anderen unterschied, wenn auch nicht auf eine Art und Weise, die ich billige. Das habe ich anfangs nicht erwähnt, weil ich weiß, wie Sie denken. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.« Böse schaute er Banks an. »Und jetzt gehe ich wirklich.«
      »Wie Sie wollen«, gab Banks zurück. Als Randall an der Tür stand, sagte Banks: »Es wäre mir ganz lieb, wenn Sie uns eine DNA-Probe und Ihre Fingerabdrücke geben würden. Nur zu Ausschlusszwecken natürlich. Wenn es Ihnen recht ist. DC Wilson sucht das Formular für die Einverständniserklärung heraus.«
      Randall schlug die Tür hinter sich zu.
     
     

* 4
     
    Am Montagmorgen war Annie schon früh in ihrem Büro in dem kastenartigen Dienstgebäude aus Backstein und Glas auf Spring Hill. Es ging ihr deutlich besser als am Sonntag. Selbst das Wetter schien sich ihrer gehobenen Laune anzuschließen. Der Regen hatte sich verzogen, der Himmel war strahlend blau und mit weißen Flauschwolken betupft. Die meist graue Nordsee hatte einen bläulichen Farbton. Der Wind war kühl, aber am Nachmittag würden die Menschen die Jacken ausziehen und sich am Kai vor den Pubs in die Sonne setzen. Schließlich war fast schon Frühling.
      Der sogenannte »Rollstuhlmord« hatte die Lokalzeitungen und das Frühstücksfernsehen erreicht, und Superintendent Brough hatte für den Vormittag eine Pressekonferenz anberaumt. Annie musste zu ihrem Glück nicht daran teilnehmen, aber Brough würde erwarten, dass sie ihm Informationen gab, mit denen er die hungrige Meute füttern könnte.
      Als Annie an Samstagabend dachte, stiegen wieder Schuldgefühle und Selbstverachtung in ihr hoch. Es war alles andere als anständig, sich in ihrem Alter wie ein hormongesteuerter Teenager aufzuführen. Aber es war passiert; jetzt war es Zeit für die alte Zen-Übung des Loslassens. Leben ist Leiden, und die Ursache des Leids ist das Begehren, sagen die Buddhisten. Man könne Begehren, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle nicht aufhalten, hieß es, aber man müsse sich nicht an ihnen festklammern und es sich damit unnötig schwermachen. Es war besser, sie einfach loszulassen, sie wie Luftballons oder Seifenblasen davonschweben zu lassen. Das versuchte Annie beim Meditieren. Sie konzentrierte sich auf eine feste Größe, auf ihren Atem oder ein wiederkehrendes Geräusch, und sah dann zu, wie die Luftballons mit ihren Gedanken und Wünschen ins Nichts schwebten. Sie musste wieder regelmäßig meditieren. Nun ja, es war ja nicht so, als hätte sie an diesem Morgen über nichts anderes nachzudenken.
      Zum Beispiel über Karen Drew.
      Das Erste, was Annie in der Akte las, die Tommy Naylor von Mapston Hall mitgebracht hatte, versetzte ihr einen Schock: Karen Drew war bei ihrem Tod achtundzwanzig Jahre alt gewesen! Annie hatte sie für eine alte Frau gehalten, selbst Naylor hatte sie auf ungefähr vierzig geschätzt. Sicher, ihr einziger Anhaltspunkt war die blutleere, formlose Gestalt mit dem trockenen ergrauenden Haar im Rollstuhl gewesen. Trotzdem, dachte Annie, achtundzwanzig war noch furchtbar jung. Wie konnte einen der Körper so grausam täuschen?
      Nach Aktenlage war Karens Wagen vor sechs Jahren mit einem anderen zusammengestoßen, dessen Fahrer die Kontrolle verloren hatte und über die Mittellinie gefahren war. Sie hatte eine Zeitlang im Koma gelegen und dann mehrere Operationen und längere Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen, bis auch dem letzten beteiligten Mediziner klar gewesen war, dass sie sich nicht mehr erholen würde und Vollzeitpflege die einzige Lösung war. Vor drei Monaten war sie nach Mapston Hall verlegt worden, wie Grace Chaplin gesagt hatte. Das war nicht sehr lange, dachte Annie. Und wenn Karen sich nicht mitteilen

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