Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
sagen: nein. Deshalb war Templetons Versetzung eine gute Idee.
Banks versuchte, Lucy Payne und Hayley Daniels aus seinem Kopf zu vertreiben. Maria Muldaur kam zum Ende von »You Ain't Goin' Nowhere«, und er legte eine andere CD ein. Er entschied sich für das Half Moon Bay-Konzert von Bill Evans, das er sein Lebtag bedauerte, verpasst zu haben. Nachdem Evans seinen Bassisten und den Schlagzeuger vorgestellt hatte, kam das herrliche »Waltz for Debby«. Es war noch früh, und Banks beschloss, den Rest des Abends CDs aus seiner Jazzsammlung zu hören, die er langsam wieder aufbaute, und in der Geschichte Europas zu lesen. Er war ganz vertieft in den Kalten Krieg und »What Are You Doing the Rest of Your Life?«, als er feststellte, dass sein Glas schon wieder leer war.
Annie kam es vor, als sei es Jahre her, dass sie zum letzten Mal in Eastvale in einem Restaurant gewesen war. Sie war froh, Winsomes Einladung angenommen zu haben, auch wenn sie wusste, dass es kein völlig arbeitsfreier Abend werden würde. Der Italiener, den sie sich ausgesucht hatten, befand sich über den Geschäften hinter der Kirche am Markplatz und war erstklassig: viele vegetarische Gerichte und billiger, anständiger Wein. Annie futterte ihre Pasta primavera und trank das zweite Glas Chianti - mit einem kleinen Schuldgefühl, die Abstinenz nicht länger durchgehalten zu haben -, während Winsome Cannelloni aß und ihre Wut über Templeton abließ.
»Hast du ihm gesagt, wie du das siehst?«, fragte Annie, als sie dazwischenkam.
»Hab ich.«
»Und, wie hat er reagiert?«
»Gar nicht. Hat kein Wort gesagt. Ich glaube, er war total schockiert, dass ich ihn so angefahren habe. Ich meine, ich war selbst total schockiert darüber. Ich sage sonst nie so was.« Winsome legte die Hand vor den Mund und lachte. Annie lachte mit.
»Keine Sorge«, sagte Annie. »Beleidigungen hat Templeton schnell wieder vergessen. Morgen ist er wieder ganz normal, beziehungsweise was bei ihm normal ist.«
»Ich weiß nicht, ob ich das will«, sagte Winsome. »Echt jetzt. Diesmal meine ich es ernst. Einer von uns muss gehen. Ich kann nicht mehr mit ihm arbeiten, kann mir nicht mehr ansehen, wie er auf den Gefühlen anderer Leute herumtrampelt. Ich weiß nicht, ob ich noch so lange warten kann, bis er versetzt wird.«
»Hör mal«, sagte Annie, »es hat ja nie jemand behauptet, dass es leicht wäre bei der Polizei. Manchmal muss man hart sein und es einfach durchstehen. Hab Geduld und halte durch.«
»Das kann doch wohl nicht sein, dass du den Typ auch noch verteidigst«, sagte Winsome.
»Ich verteidige den doch nicht, so'n Quatsch«, sagte Annie. »Ich versuche dir nur beizubringen, dass du härter werden musst, wenn du in diesem Beruf überleben willst, mehr nicht.«
»Glaubst du, ich bin nicht hart genug?«
»Du musst dir ein dickeres Fell zulegen.«
»Glaubst du nicht, dass schwarze Haut dicker ist als weiße?«
»Was?«, sagte Annie.
»Du hast mich wohl verstanden. Was glaubst du denn, wie ich mit den ganzen Anspielungen und Beleidigungen umgehe? Die Leute blicken entweder auf mich herab oder sind übertrieben freundlich und tun so, als würden sie die Hautfarbe nicht bemerken, als wäre man wirklich genau wie alle anderen, aber am Ende reden sie mit einem wie mit einem Kleinkind. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Weißt du, wie es ist, wenn man angeglotzt oder beleidigt wird wie ein minderwertiges Wesen, wie ein Tier, und das nur wegen der Hautfarbe? Wie der Vater von Hayley Daniels oder die alten Männer auf der Brücke in Swainshead.«
»Ich weiß ja nicht, was mit Hayley Daniels' Vater war«, erwiderte Annie, »aber die alten Männer da, die wissen es einfach nicht besser. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, aber die haben keine Ahnung. Und ich weiß vielleicht nicht, wie es ist, wenn ich wegen meiner Hautfarbe angestarrt würde, aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ich wie ein minderwertiges Wesen behandelt werde, weil ich eine Frau bin.«
»Dann verdoppel es einfach«, sagte Winsome.
Annie schaute sie an, und beide lachten so laut los, dass ein älteres Paar neben ihnen sich stirnrunzelnd umsah. »Ach, leck mich«, sagte Annie und hob das Glas. »Auf die Widerspenstigen !«
Die beiden stießen an. Annies Handy klingelte, sie holte es aus der Handtasche. »Ja?«
»Annie? Ich bin's, Eric.«
»Eric. Mensch, was willst du jetzt schon
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