Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Mörder, Terroristen, verbrecherische Generäle, während Ralph ...« Tränen traten in Amys Augen. »Der liebste Mann der Welt. Es ist so unfair. Honoria gibt mir die Schuld.«
Barnaby schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ja, wirklich. Sie hat schreckliche Dinge gesagt. Ich hab's bisher nie jemandem erzählt. Nicht mal Sue. Ralph hat tagelang bewußtlos in diesem Krankenhaus in Spanien gelegen, und wir haben abwechselnd an seinem Bett Wache gehalten. Ich hatte etwas geruht und ging den Korridor zurück zu seinem Zimmer, als Honoria aus dem Raum des Stationsarztes kam. Sie hat mich an den Armen gepackt... die blauen Flecken hatte ich noch tagelang ... und hat mir ins Gesicht geschrien: >Wenn du ihn mehr geliebt hättest, wäre er nicht gestorben!< Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Ich hatte ja keine Ahnung, daß er gestorben war, müssen Sie wissen. Während ich schlief, war es passiert. Es war das einzige Mal, daß Honoria überhaupt irgendwelche Gefühle gezeigt hat.
Sie hat Ralph dann nach Hause überführen lassen. Sein Name steht auf dem Grabstein. Darunter ist nur noch Platz für ihren Namen. Sein Zimmer mit all seinen Sachen ist immer verschlossen. Nur sie hat Zutritt. Und sie ist ständig in diesem Raum. Ich höre manchmal, wie sie seine Briefe oder Zeugnisse laut vorliest. Aber mich stört das nicht. Es ist nicht wichtig für mich. Ich sitze oft an Ralphs Grab und rede mit ihm. Wir sind so vertraut wie eh und je. Der ganze Rest ist nur Theater.«
Amy saß eine Weile stumm auf ihrem Stuhl. Trotz des leisen Tickens der Uhr, dem Summen der Neonbeleuchtung, dem ständigen Klingeln der Telefone und dem Stimmengewirr von nebenan war sie ganz entspannt.
»Ich weiß selbst nicht, weshalb ich Ihnen das alles erzähle.«
»Manchmal ist es eben einfacher, mit Fremden zu reden.«
»Aber das kommt auch auf den Fremden an. Sie scheinen in dieser Beziehung eine besondere Gabe zu besitzen, Chefinspektor. Sie sollten zur Heilsarmee gehen.«
»Dazu fehlt mir die Geduld.« Barnaby klingelte nach Audrey Brierley und stand auf. »Wir möchten gern Ihre Fingerabdrücke nehmen, Mrs. Lyddiard«, erklärte er und holte ihren Mantel von der Garderobe. »Rein aus erkennungsdienstlichen Gründen. Sie kommen nicht in die Akten.«
»Schon in Ordnung«, murmelte Amy.
»Was meinen Sie? Wie stehen unsere Chancen, auch die Abdrücke Ihrer Schwägerin zu bekommen?«
»Miserabel«, erwiderte Amy. »Die gute Honoria läßt sich von niemandem etwas sagen. Sie macht, was sie will.«
Barnaby schüttelte ihr die Hand. Als die Polizistin Brierley Amy zur Tür geleitete, sagte er: »Führen Sie Mrs. Lyddiard durch den Bereitschaftsraum.« Er sah Amy lächelnd an. »Vielleicht interessiert es Sie, wie die Mühlen der Polizei mahlen ... vom Standpunkt der Schriftstellerin aus, versteht sich.«
»Oh, natürlich. Danke.«
Amy folgte der Polizistin und versuchte sich alles genau einzuprägen. Sie nahm sich vor, eine eigene >Polizei<-Akte anzulegen, und dachte im Geiste bereits daran, wie sie die gewonnenen Einblicke in die Geschichte um ihre Hauptfigur in Rompers einfügen konnte.
Der Anruf des Barkeepers von der Tagesschicht im Hotel Golden Fleece kam kurz nach dem mickrigsten, knickrigsten Mittagessen, das Tom Barnaby je zu sich genommen hatte. Die pure Angst hatte ihn zu diesem einschneidenden Schritt veranlaßt, als er, zu ungeduldig, um auf den Lift zu warten, die Treppe zur Kantine hinaufgehastet war. Kaum hatte er die oberste Stufe erreicht, ging sein Atem nur noch stoßweise, und seine Luftröhre schien sich krampfartig zu verengen. Er hatte Ohrensausen, und die Hand, die nach dem Treppengeländer faßte, fühlte sich nicht nur merkwürdig taub an, sondern verschwamm auch immer wieder vor seinen Augen.
Obwohl dieser Zustand nur wenige Sekunden anhielt, war seine Wirkung doch nachhaltig genug, um Barnabys Wahrnehmungsvermögen auf wundersame Weise ausschließlich auf die Diätspalte der Speisekarte zu konzentrieren. Demzufolge ruhten in seinem Magen mittlerweile ein Eiersalat neben einem Diätjoghurt und einem Stück fettarmen Käse, der wie gelber Radiergummi ausgesehen und auch so geschmeckt hatte. Dazu hatte es zwei Scheiben Knäckebrot gegeben. Wobei für letztere weder die Bezeichnung >Knackig< noch >Brot< auch nur annähernd zugetroffen hatte. Das Zeug hatte eher wie luftgepolstertes, schwammiges Sägemehl geschmeckt und war für Barnaby ein klarer Verstoß gegen
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