Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Rauch sogar aus dem Fenster geblasen hatte. Ich gehöre zu einer bedrohten Spezies, überlegte er und griff zu der erbärmlichen Ersatzdroge, einer Tasse starken Tee.
»Sie sind also vermutlich in die Küche gerannt, Mrs. Bundy«, bemerkte der Inspektor leichthin, so als plaudere er übers Wetter.
»Richtig«, stimmte Mrs. Bundy zu.
»Und was passierte dann?«
»Ich habe erst mal gekotzt.« Sie sah in Troys Richtung. »Ins Spülbecken.«
Troy rückte mit seinem Notizblock unwillkürlich vom Spülbecken ab. Dabei blitzte dasselbe längst wieder vor Sauberkeit.
»Danach habe ich Don bei der Arbeit angerufen, und er hat die Polizei alarmiert. Er ist sofort hergekommen, aber sie wollten ihn nicht reinlassen.«
»Nein, das ist gegen die Vorschriften. Tut mir leid«, bedauerte Barnaby. »Aber ich halte Sie keine Minute länger als unbedingt nötig auf.« Er trank einen Schluck Tee, der köstlich schmeckte. »Steht ja 'ne Menge Geschirr auf dem Abtropfgitter. Hatte Mr. Hadleigh häufig Gäste?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sehr selten. Aber es gibt da eine Gruppe im Dorf, die sich hier regelmäßig trifft. Einmal im Monat. Sie schreiben ... Geschichten und so weiter.« Sie lächelte zum ersten Mal. »Die Welt ist bunt, was?«
»Kann man wohl sagen.« Barnaby lächelte ebenfalls, spürte instinktiv, daß Troy etwas sagen wollte, und hob abwehrend die Hand. »Könnten Sie mir vielleicht die Namen der Mitglieder dieser Gruppe nennen, Mrs. Bundy?«
»Wer genau gestern abend hier war, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber Mr. und Mrs. Clapton von nebenan kommen gelegentlich.« Sie deutete nach links. »Und die Lyddiards aus >Gresham House<. Das liegt sechs Grundstücke weiter am Park. Ein riesiger alter Kasten. Auf den Torpfosten stehen Ananasfrüchte aus Stein. Ich mache dort auch sauber.«
»Ein Ehepaar?«
»Nein, zwei Frauen. Miß Honoria und ihre Schwägerin. Sie ist sehr nett, Mrs. L., meine ich. Sie tut mir leid. Im Haus gibt's nicht mal 'nen Fernseher.«
»Arbeiten Sie schon lange für Mr. Hadleigh?«
»Fast zehn Jahre. Seit er das Haus gekauft hat. Einmal die Woche donnerstags. Seine Wäsche gibt er in die Wäscherei.«
»Sie kennen ihn also ziemlich gut?«
»Das kann man nicht unbedingt sagen. Er war sehr zurückhaltend. Nicht wie einige meiner Damen. Die schütten mir andauernd ihr Herz aus. Mr. Hadleigh war da anders. Eigentlich habe ich ihn in den zehn Jahren überhaupt nicht richtig kennengelernt.«
»Wie war er als Arbeitgeber?«
»Sehr eigenwillig. Hatte ziemlich genau Vorstellungen von meiner Arbeit. Bücher und Bilder durften nie verrückt oder verstellt werden. Aber er hat mich bei der Arbeit in Ruhe gelassen, was auch nicht selbstverständlich ist.«
»Eine Mrs. Hadleigh existierte also nicht?«
»Er war Witwer. Das Hochzeitsfoto steht auf dem Büffet im Wohnzimmer. War immer mit einem frischen Blumenstrauß geschmückt. Fast wie auf einem Altar. Traurige Geschichte. Eigentlich hätte er allmählich drüber weg sein müssen.«
»Wissen Sie, wann genau Mrs. Hadleigh gestorben ist?«
»Nein, keine Ahnung.«
»Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum jemand ...«
»Nein, kann ich nicht! Und jetzt will ich nach Hause!« Ihre Stimme bebte.
»Wir sind gleich fertig«, bemerkte Barnaby. »Ich möchte Sie nur noch bitten, sich hier und im Wohnzimmer umzusehen und uns zu sagen, ob etwas fehlt.«
»Hier ist alles in Ordnung.« Sie stand auf und sah die Polizeibeamtin an. »Würde Sie mit mir ...« Gemeinsam verließen sie die Küche und kehrten nach wenigen Minuten zurück.
»Das Foto ist weg. Das Hochzeitsfoto.«
»Sonst nichts?«
»Mir fällt jedenfalls nichts auf.«
»Gut, Mrs. Bundy Läßt sich vermutlich leider nicht vermeiden, daß wir uns noch einmal mit Ihnen unterhalten ...«
»Aber nicht hier. Auf keinen Fall. Ich setze keinen Fuß mehr in dieses Haus. Nicht, solange ich lebe.«
»Keine Sorge. Wir kommen zu Ihnen ... oder Sie kommen zu uns. Allerdings muß ich Sie um Ihre Fingerabdrücke bitten ... nur um Eventualitäten auszuschließen.«
Die Polizistin half Mrs. Bundy in den Mantel.
Auf der Treppe ertönten schwere Schritte. Gerald Hadleigh verließ sein Haus für immer. Wenige Minuten später folgte Mrs. Bundy in Begleitung der Polizistin. Die Polizei hatte >Plover's Rest< ganz für sich allein.
»Der obere Stock gehört Ihnen, Tom.«
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