Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
warf einen Blick auf die Uhr. Dabei erweckte er geschickt den Eindruck, als sei er der einzige im Raum, dessen dichter Terminkalender ihn zur Eile nötigte, weil alle Welt nur auf ihn wartete.
»Mit anderen Worten, Sie haben das Haus nicht mehr verlassen?«
»Nein.« Stille. Brian griff sinnlos nach seiner Tasse und stellte sie wieder ab. Hustete. Putzte sich geräuschvoll die Nase.
»Mrs. Clapton schien im Gegensatz zu Ihnen große Mühe mit dem Einschlafen zu haben«, meinte Sergeant Troy nachdenklich. »Sie lag bis in die frühen Morgenstunden wach. Hat noch gehört, wie Max Jennings abgefahren ist.«
»Ach wirklich?«
»Ja, wirklich.«
Es entstand eine noch ausgedehntere Gesprächspause. Die beiden Polizeibeamten tauschten vertrauliche, amüsierte Blicke, die dem Befragten nicht entgingen und auch nicht entgehen sollten. Vor allem Troy genoß die Situation weidlich, denn er hatte die schwärzere Seele.
Brian nahm seine unvorteilhafte Brille ab und putzte die Gläser.
»Ist Ihnen klar, weshalb wir diese Frage stellen, Mr. Clapton?« meldete sich Barnaby schließlich zu Wort. »Ehm ...«
»Mr. Hadleigh wurde zwischen elf Uhr abends und den frühen Morgenstunden ermordet.«
Barnaby stemmte sich von der Sofakante hoch, baute sich in voller Größe und Breite vor dem Schreibtisch auf und sah väterlich auf Brian herab. Er lächelte hoffnungsvoll und mußte nicht lange warten.
»Oh!« Brian schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Ich war doch noch mal draußen. Bin nur noch einmal um den Park gelaufen. Um mich ein bißchen auszulüften, wie es so schön heißt.« Er sah auf; halb argwöhnisch, halb beifallheischend. Er lachte wiehernd.
»Und haben Sie jemanden gesehen?«
»Nein«, erwiderte Brian. Um jedes Mißverständnis auszuschließen, fügte er hinzu: »Keine Menschenseele.«
»Das wär's dann wohl«. Nachdem er bekommen hatte, was er wollte, genehmigte sich Barnaby ein zufriedenes Lächeln. »Fürs erste jedenfalls.«
»Danke«, meinte Brian.
Als sie das Direktorat verließen, rief Miß Panter: »Mr. Clapton? Ihre Frau hat vorhin angerufen. Sie sagte, es sei dringend. Bitte melden Sie sich doch bei ihr. Sie können meinen Apparat benutzen.«
»Ich sterbe vor Hunger.« Troy, der mit Barnaby und dem Funkwagen im verwirrenden Einbahnstraßensystem von Causton in der Falle saß, lenkte das Auto im Kriechtempo am Marktplatz vorbei. Dort waren Dutzende von Ständen aufgebaut, an denen Händler ihre Sonderangebote anpriesen.
»Sie haben Hunger?« Barnaby machte kein Hehl aus seiner Gereiztheit. Die Veranlagung seines Sergeants, Unmengen von Kalorien zu inhalieren, ohne auch nur ein Gramm Fett anzusetzen, war für Barnaby schon lange ein Ärgernis. »Sie haben doch gerade die Hälfte von Miß Panters Keksvorrat verdrückt. Wie können Sie da schon wieder Hunger haben?«
»Könnten wir nicht in der Kantine ein bißchen auftanken?« Troy bog nach rechts ab und drängte sich mit dem Wagen aggressiv in die Schlange auf der High Street, wo der Verkehr praktisch zum Erliegen gekommen war. »Sobald wir mit Mrs. Hutton gesprochen haben, versteht sich. Ah, wenn man vom Teufel spricht...«
Der Wagen blieb genau vor dem Schaufenster des Antiquitätenladens stehen. Hinter der Glastür prangte das Schild »Geschlossen«. Die Schaufensterdekoration bestand aus einem riesigen Wandteppich, auf dem sich eine typische Breughelsche Szene haltloser Vergnügungssucht abspielte. Rotbackige Bauern stemmten schäumende Bierkrüge an rohen Holztischen. Dralle Frauen mit weißen Hauben platzten fast aus ihren Miedern. Kinder stopften sich große Stücke Brot in die Münder, und ein Mann lag auf dem Rücken ausgestreckt im Schlamm. Troy betrachtete das Bild nachdenklich.
»Erinnert mich fatal an unsere Weihnachtsfeiern«, kommentierte er.
Barnabys Reaktion blieb aus. Dann eben nicht, dachte sich Troy Kann mir meine Witze auch sparen. Ich sollte einen von Mrs. Claptons Drachen fürs Rückfenster kaufen. Danke, dass Sie in unserem Wagen nicht lachen.
»Komisch, daß der Laden ausgerechnet am Mittwoch geschlossen hat. Am Markttag müßten die Geschäfte doch besonders gut gehen.«
»Vermutlich hat sie von Hadleighs Tod erfahren. Die Buschtrommel dürfte mittlerweile auch den letzten erreicht haben. Vielleicht ist sie ja noch im Laden. Da drüben ist eine schmale Einfahrt...«
Troy riß das Steuer herum.
»Ich sagte,
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