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Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger

Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger

Titel: Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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wütend. »Ich habe dich nicht kommen gehört.«
      Honoria stand im Türrahmen, den sie beinahe ausfüllte. Sie starrte Amy unverwandt an und wiederholte ihre Frage.
      »Mittagessen«. Amy haßte es, so angestarrt zu werden. »Ich mache Mittagessen.« Sie griff nach einem Holzlöffel und wendete die Zwiebeln im Fett. »Es ist gleich fertig.«
      »Wir haben schon Viertel nach«, sagte Honoria. »Du bist spät dran.«
      Amy wußte nicht, weshalb sie gerade diesen Augenblick wählte, um zu rebellieren. Die Unterdrückung und endlosen Demütigungen der vergangenen Monate brachen sich plötzlich Bahn. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus.
      »Ich bin spät dran, weil ich die Wäsche gemacht habe, Honoria. Das hat viel Zeit in Anspruch genommen, da wir keine Waschmaschine haben. Und vor der Wäsche habe ich die Schlafzimmer saubergemacht. Zwischendurch, wenn du dich bitte erinnerst, habe ich noch gewisse Informationen auf deinen Karteikarten im Lexikon überprüft und Briefe zur Post gebracht. Das Verwunderliche für mich ist nicht, daß das Mittagessen verspätet stattfindet, sondern daß ich überhaupt noch in der Lage bin, eines herzuzaubern.«
      Während dieser Rede sah Amy ihre Schwägerin nicht an.
      Und als sie geendet hatte, zwang sie sich, keinen Handgriff am Herd zu tun. Im Raum war es unheimlich still geworden. Und jetzt, nachdem Amy ihre Meinung gesagt hatte, füllten allmählich ihre geheimen Ängste dieses Vakuum.
      Aber was konnte Honoria ihr schon antun? Sie kann mich rauswerfen, dachte Amy. Ja, das kann sie. Nur ... wäre das so schrecklich? Schlimmer konnte es kaum noch kommen. In der Bibliothek hatte sie eine gute Illustrierte mit einem großen Annoncenteil entdeckt. Und hinter jeder dieser Anzeigen steckte sicher eine Person, die menschlicher war als Honoria, ein besser beheiztes und großzügigeres Haus führte.
      Was hatte Ralph nach der ersten vernichtenden Diagnose gesagt, als sie sich fassungslos vor Entsetzen an den Händen gehalten hatten? Courage, mon brave. Einer ungewissen Zukunft entgegenzusehen war dagegen ein Kinderspiel. All diese Gedanken an Freiheit und Menschlichkeit versetzten Amy geradezu in Hochstimmung.
      Erst als sie allmählich aus ihrer anderen, glücklicheren Welt in die Wirklichkeit zurückkehrte, merkte sie, daß Honoria etwas sagte, und fing die Worte auf: »... nicht so langsam wärst...«
      »Wenn ich langsam bin«, entgegnete Amy scharf, »dann nur, weil ich friere. Meine Finger sind die reinsten Eiszapfen.« Sie trat ans Spülbecken und warf den Holzlöffel hinein. »Ich kann hier nicht mehr bleiben.«
      »Was meinst du da?«
      »Das war doch deutlich genug, Honoria.« Amys Magen krampfte sich zusammen. Ihr war übel. »Ich möchte ... ich werde gehen.«
      »Das kannst du nicht machen!«
      »Warum nicht?« Trotz der Kälte stand Amy der Schweiß auf der Stirn.
      Honoria schien völlig perplex zu sein. In ihren eisgrauen Augen, in denen Amy sich nicht erinnern konnte, je irgendeinen Funken Gefühl gesehen zu haben, glaubte sie jetzt so etwas wie Panik zu erkennen.
      »Du mußt hier bleiben. Wo ich dich ... kann ...«
      Sollte es Honoria tatsächlich die Sprache verschlagen haben? Das war ein absolutes Novum. Amy, die die Temperatur dieser neuen Atmosphäre sorgfältig testete, ergänzte: »Wo du mich halb zu Tode schinden kannst ... für nichts und wieder nichts?«
      »Nein, nein«, widersprach Honoria hastig. »Wo ich ... dich ... auf dich achten kann. Das habe ich Ralph versprochen.«
      Honorias letzte Worte klangen falsch. Und doch ... was wäre natürlicher gewesen, als daß Ralph der Schwester und einzigen überlebenden Verwandten seine völlig mittellose Frau ans Herz gelegt hätte? Amy versuchte daran zu glauben, wollte es nur allzugern glauben. Aber etwas wollen, so hatte sie erfahren, genügte nicht.
      »Ich hoffe, du überlegst dir das noch mal«, erklärte Honoria, und ihr Mund zuckte seltsam dabei. Es sah ganz so aus, als versuche sie einen Fremdkörper, wie zum Beispiel einen Kern, auszuspucken. »Bitte.«
      Amy hätte nichts Schlimmeres passieren können als dieses Wort >bitte<. Endlich hatte sie all ihren Mut zusammengenommen, hatte die Tür gesehen, die in die Freiheit führte. War sie ihr jetzt ein für alle mal vor der Nase zugeschlagen worden ?
      »Ich war gedankenlos«, vollendete Honoria ihre mysteriöse Selbstverleugnung. »Ich bin nun einmal an die Kälte so gewohnt, daß sie

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