Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
and National führen würde, nicht ergaben, daß sie in letzter Zeit häufig gefehlt hatte, dann war jeder Augenblick ihres untadeligen und strikt organisierten Lebens durch Zeugen abgesichert. Was bedeutete, daß sie einen Komplizen gehabt haben mußte.
Als der Chief Inspector merkte, was für bizarre Szenarien er da entwarf, schüttelte er den ganzen Unsinn von sich ab und wandte sich noch einmal dem Tagebuch zu.
Die blaugrüne Schrift hüpfte dicht gedrängt über die Seiten. Er blätterte vor und zurück. Plötzlich gab es eine Lücke. Eine kühle Fläche gelben Papiers. Die Leere wurde nur durch zwei Zeilen unterbrochen, die gleichmäßig mit Bleistift geschrieben waren. Die Worte dieses kurzen Absatzes stießen ihm wie Pfeile direkt ins Herz.
Man sagt, was man nie gehabt hat, würde man nicht vermissen. Das stimmt nicht. Man träumt die ganze Nacht von dem, was einem fehlt. Und dann spürt man den ganzen Tag einen großen Schmerz.
Am Montag morgen gegen acht herrschte in der Einsatzzentrale eine Betriebsamkeit wie in einem Bienenstock. Immer noch kamen neue Informationen im Fall Hollingsworth herein, einschließlich mehrerer, daß Simone irgendwo gesehen worden war. Die Leute an den Schreibtischen, sowohl in Zivil als auch in Uniform, hörten sich das alles an und schrieben mit.
In Brick Lane hatte Simone einen Sari in Dunkelrot und Gold sowie Glöckchen an den Zehen getragen. In Telford war sie als Nonne aufgetreten, in Devizes als Politesse. In der Nähe von Stratford on Avon hatte sie sich auf einem Schleppkahn geaalt - mit großen runden Ohrringen und sonst äußerst leicht bekleidet.
Etwas plausibler schien, daß Mrs. Hollingsworth am Tag ihres Verschwindens mit Einkaufstüten von Marks and Spencer beladen in der U-Bahnstation Uxbridge gesehen worden war. Sie hatte ständig auf die Uhr geguckt, »als ob sie auf jemand wartete.«
In einem Regionalbus nach Aylesbury hatte ein Fahrgast neben einer Frau gesessen, die einen knalligen Leinenblazer über einem geblümten Kleid trug, das ähnlich gemustert war wie das von Simone. Obwohl diese Person kastanienbraune Haare hatte und eine Sonnenbrille trug, hatte sie doch große Ähnlichkeit mit der entführten Frau. Da die Informantin in Flackwell Heath ausgestiegen war, hatte sie keine Ahnung, wohin die Frau fahren wollte.
Schließlich - und das war sicher am vielversprechendsten - war Simone gesehen worden, wie sie in einen schäbigen weißen Lieferwagen stieg, der nur wenige Meter von dem Kaufhaus parkte, in dem sie zuletzt unstreitig gesehen worden war. Die Person, die das meldete, hatte sich zwar die Autonummer nicht gemerkt, konnte sich aber erinnern, daß der Wagen keinerlei Aufschrift hatte. Mit anderen Worten, kein gewerbliches Fahrzeug.
Barnaby, erfrischt von einem Sonntag, den er mit Herumwerkeln im Garten und im Liegestuhl verbracht hatte, informierte sich über den neuesten Stand der Dinge und ordnete dann an, eine dringende Suchmeldung nach dem Fahrer des Lieferwagens herauszugeben. Außerdem sollten sich Leute in sämtlichen Geschäften in Causton, einschließlich der karitativen Secondhand-Läden umhören, ob an dem fraglichen Tag eine kastanienbraune Perücke oder ein rosaner Blazer verkauft worden war. Denn beides hatte Mrs. Hollingsworth ganz bestimmt nicht dabei gehabt, als sie in Fawcett Green in den Marktbus stieg.
Außerdem ordnete er an, daß Plakate von Simone mit Angabe von Datum und Uhrzeit, wann sie dort angeblich gesehen wurde, überall in der U-Bahnstation Uxbridge, in der Eingangshalle und auf den Bahnsteigen, an die Wände geklebt werden sollten. Man konnte ja nie wissen.
Danach zog er sich in die ruhigste Ecke zurück, die er finden konnte. Für halb neun war eine Einsatzbesprechung angesetzt; das war in ungefähr zwanzig Minuten. Der Chief Inspector nahm sich eine starke Tasse Kaffee und Brenda Brockleys Tagebuch, in dem er seit dem Frühstück immer mal wieder gelesen hatte.
Doch auch eine gründlichere Lektüre hatte bisher nicht geklärt, was die goldenen und silbernen Sterne und die kleinen roten Herzchen bedeuteten, und Barnaby bezweifelte allmählich, daß er das je rauskriegen würde. Selbst wenn die Herzchen und Sternchen mysteriös blieben, so entpuppten sich Brendas Abenteuer als rührend konventionell. Da war nicht vom Sprengen der Spielbank in Monte Carlo die Rede oder von Skiurlaub in Gstaad. Keine Segeltrips auf tiefblauem Meer und einem gleißenden
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