Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
zu begreifen, daß seine Mandantin dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden, und versuchte ein wenig zu spät, den Schaden zu begrenzen.
»Sie wissen, daß Sie das Recht haben zu schweigen...«
»Das ist Miss Lawson voll bewußt«, sagte Sergeant Troy. »Sie ist ordnungsgemäß belehrt worden. Zweimal.«
»Nun, äh, Sarah, ich rate Ihnen, vorläufig nichts mehr zu sagen...«
»Was spielt das denn für eine Rolle?« Sie atmete so heftig ein, daß ihr ganzer Körper bebte. »Nichts spielt überhaupt noch eine Rolle. Es ist ohnehin alles vorbei.«
Barnaby starrte über den Schreibtisch zu Sarah. Sie saß sehr still, den Kopf gesenkt, das Gesicht ausdruckslos. Sie wirkte noch abgehärmter als bei ihrem ersten Gespräch. Ihre Haut war dünn und fein wie Seidenpapier, und die Schulterblätter stachen wie kleine spitze Flügel hervor.
»Wo ist Mrs. Hollingsworth jetzt, Sarah?«
»Weiß ich nicht.« Es war kaum mehr als ein Flüstern.
»Ist sie noch am Leben?«
»Ich... Das möchte ich bezweifeln.«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Am Donnerstag. Ich bin nach...«
»Moment mal, von welchem Donnerstag reden wir jetzt?«
»Von dem Tag, an dem sie verschwand.« Ihre Stimme wurde sehr erregt. »Wenn sie nur getan hätte, was wir gesagt haben, wäre das alles nicht passiert.«
»Wer ist >wir«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Können Sie nicht?« fragte Sergeant Troy. »Oder wollen Sie nicht?«
Sie gab keine Antwort, und Barnaby insistierte nicht. Das Entscheidende war, den Informationsfluß in Gang zu halten und ihn nicht wegen eines einzelnen Details zum Versiegen zu bringen. Das könnte man später immer noch herausfinden.
»Wie wär’s, wenn Sie mir das alles von Anfang an erzählen, Sarah.«
»Ich wüßte gar nicht, wo ich anfangen sollte.«
»Zum Beispiel damit, wie das Ganze geplant wurde. Und warum.«
»Wir brauchten dringend Geld. Mein... Freund...«
»Sie meinen Ihren Lover?« sagte Troy gehässig. Die redeten ja immer um den heißen Brei herum, diese Leute aus der Mittelschicht.
»Seine Exfrau hat gegen ihn prozessiert. Er war gezwungen, sein Haus zu verkaufen, und weil sie einen richtig gewieften Anwalt hat und zwei Kinder da sind, hat er jetzt fast nichts mehr. Ich wär ja zufrieden gewesen, wenn wir einfach zusammen im Cottage gelebt hätten, wir wären schon zurechtgekommen, aber er ist..., nun ja, was Besseres gewöhnt.
Dann hat mich eines Tages - das war, bevor sie in meinen Kurs kam - Simone zu sich zum Kaffee eingeladen. Sie lud ständig Leute ein, weil sie Gesellschaft suchte. Ich muß mit den Gedanken ganz woanders gewesen sein und habe ohne zu überlegen zugesagt. Es war, als wäre man mit einem albernen Kind in einem Spielzeugladen. Sie lief plappernd durch die Gegend und protzte mit ihren scheußlichen Kleidern und dem ganzen Make-up. Dann holte sie so ein Schmuckkästchen und hielt mir den Inhalt direkt vor die Nase. Es war ein Verlobungsring mit einem Diamanten, der Alan anscheinend um sechzigtausend Pfund ärmer gemacht hatte. Er war einfach so...«
»Ordinär?« Troy stellte sich vor, wie die hübsche, goldlockige Simone unschuldig in ihrem Schlafzimmer herumhüpfte und ihren Schmuck zeigte.
»Ich habe es ihm erzählt...« Sie hielt plötzlich inne und sah zu Barnaby. »Tut mir leid, es ist nicht so, daß ich nicht weiterreden will. Es ist bloß so schwierig.«
»Hören Sie. Sie werden sicher über diesen Mann eine ganze Weile reden, dazu haben Sie mehr als nur eine Gelegenheit. Es würde für uns alle die Sache etwas einfacher machen, wenn Sie einen Namen für ihn erfinden.«
»Das scheint... Na schön.« Sie zuckte die Achseln. »Warum nicht? Also Tim.«
»In Ordnung. Sie haben also Tim von Simones Schmucksortiment erzählt?«
»Nicht so, wie sich das bei Ihnen anhört.«
»Beeinflussung der Zeugin.« John Starkey schreckte kurz aus seinem Schlummer auf.
»Das passierte so nebenbei. Im Verlauf eines Gesprächs. Wir erzählten uns gerade, was wir so gemacht hatten, seit wir uns das letztemal gesehen hatten. Als ich beschrieb, was ich in Nightingales erlebt hatte, sagte Tim: >Eine Törin ist ihren Schnickschnack rasch los< und hat gelacht. Mehr haben wir damals nicht dazu gesagt. Wenige Wochen später fing Simone dann an, meinen Kurs zu besuchen.
Über die Fahrten zum College und zurück hab ich Ihnen nicht die Wahrheit
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