Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
Bett.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Wie jeder im Land kannte Barnaby natürlich Geschichten von endlosen Wartelisten, von Patienten, die auf Rollbahren auf den Gängen lagen und auf ein Bett warteten, und von halsbrecherischen Fahrten von einem Krankenhaus zum anderen, um irgendwo einen Platz auf der Intensivstation zu finden. Er fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis man Krankenhausverwalter, die ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden klopfen, nervös durch die Zähne pfiffen und immer wieder auf die Uhr sahen, neben die Betten von Sterbenden setzen würde, damit sie diese schweigend drängten, sich zu beeilen.
»Ich glaube, sie ist verheiratet. Vielleicht könnte ihr Mann...«
»Mrs. Hollingsworth ist Witwe.«
»Ja natürlich, hab ich vergessen. Wie wär’s denn mit dem Namen ihres Arztes?«
»Da kann ich Ihnen weiterhelfen.«
»Ausgezeichnet«, sagte die Stationsschwester, notierte den Namen und griff nach dem Telefon.
»Ach, noch eine Kleinigkeit. Wir müssen die Kleidung untersuchen, die sie anhatte, als sie hierher gebracht wurde. Jemand aus dem Labor kommt vorbei und holt die Sachen ab.«
»Was soll sie denn dann anziehen, wenn sie das Krankenhaus verläßt?«
»Wer auch immer sie abholt, wird schon etwas mitbringen.«
Als Barnaby und Troy das Büro verließen, drückte die Stationsschwester bereits die Tasten am Telefon.
»Mrs, Hollingsworth liegt am anderen Ende des Raums«, rief ihnen eine Lernschwester munter über die Schulter zu. Ihre weichen Sohlen quietschten leise auf dem glänzenden Kunsstoffboden. In dem großen, von Sonnenlicht durchfluteten Krankensaal breitete sich ein tiefes Schweigen aus, als die beiden Männer ihr folgten. Jeder, der auch nur halbwegs aufrecht sitzen konnte, starrte voller Sensationslust, die aber sofort in Enttäuschung umschlug, als die Schwester den geblümten Vorhang um das Bett der Patientin zog.
Es gab nur einen Stuhl, den Barnaby sich ans Bett zog. Troy kam einen Schritt näher und sah auf die reglose, zierliche Gestalt im Bett. Und er verliebte sich auf der Stelle und ohne daß auch nur ein Wort gesprochen worden war.
Was soll man dazu sagen? So etwas kommt vor. So ist das nun mal im Leben. Man könnte auch sagen, so ist das Leben. Nur Sergeant Troy war das noch nie passiert.
Lust, ja das kannte er. Die überkam ihn so leicht und selbstverständlich (und fast genausooft), wie er beim Snooker Punkte machte oder den Cosworth wusch. Und bei seinem schlichten Gemüt hatte er geglaubt, das wär’s. Das wunderbare Gefühl nämlich, von dem die Dichter sangen und das sich sofort einstellte, wenn man jemanden umgarnte. Wie hatte er nur so blind sein können?
»Mrs. Hollingsworth?« Barnaby sprach sehr leise.
»Sie schläft,''Sir.« Troy, der sofort glaubte, die bewußtlose Frau verteidigen zu müssen, merkte nicht, daß er ziemlich ungehalten klang. Von seinem Beschützerinstinkt übermannt, starrte er auf Simone. Wie klein sie doch war. Ihre Hände mit den zerschundenen Fingern ruhten auf der Bettdecke und bogen sich wie bei einem Kind locker nach innen. Auf einer Schläfe klebte ein Verband, und ihre linke Wange war blutunterlaufen. Ihr weißgoldenes Haar, das man kurz geschnitten und teilweise ausgerissen hatte, war schmutzig.
Wut gegen das Dreckschwein, das sie so mißhandelt hatte, erfaßte Sergeant Troy wie eine riesige Woge. Die ungeheure Wucht, mit der ihn diese Empfindung traf, beunruhigte ihn, denn er konnte es nicht ertragen, wenn er die Beherrschung verlor. Es war, als hätte jemand Talisa-Le-anne was angetan. Er trat ein kleines Stück zurück, atmete mehrmals tief durch und wandte den Blick von der jungen Frau in dem Krankenhausbett ab, die gerade die Augen öffnete.
»Mrs. Hollingsworth?« sagte Barnaby noch einmal. Und dann, als sie nicht antwortete: »Simone?«
»Was ist?« Ihre Stimme war so schwach, daß Barnaby sich über das Bett beugen mußte, um sie zu verstehen.
»Ich bin von der Polizei. Von der Kriminalpolizei Causton.« Er hielt inne. Als sie immer noch nicht reagierte, fuhr er fort: »Mir ist klar, daß Sie Furchtbares durchgemacht haben. Doch je eher Sie sich überwinden, darüber zu reden, desto eher können wir uns auf die Suche nach den Leuten machen, die Ihnen das angetan haben.« Er hielt erneut inne, so ziemlich mit dem gleichen Ergebnis. »Können Sie mich verstehen, Mrs. Hollingsworth?«
»Ja, aber... ich... Ich
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