Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
das Haus wieder betreten hatte, rasch und brutal ermordet worden. Es hatte offensichtlich eine Unterhaltung stattgefunden, Drinks wurden angeboten und eingeschenkt. Ganz gewiß hatte man ihm das Zeug nicht die Kehle hinuntergezwungen. Er mußte dort mit jemandem gesessen haben, in dem Glauben, daß er von ihm nichts zu befürchten hätte.
Natürlich würde Dawlishs Aussage als Beweismaterial nutzlos sein. Es hätte irgendwer gewesen sein können, der weggefahren und wieder zurückgekommen war. Jeder könnte das Garagentor zugemacht haben. Aber vorläufig und weil ihm sonst nichts anderes übrigblieb, beschloß Barnaby, das Offenkundige anzunehmen. Und schließlich entsprach das Offenkundige ja häufig auch der Wahrheit.
Sergeant Troy fragte Mrs. Molfrey gerade, ob sie Mr. Dawlishs Aussage zumindest teilweise bestätigen könnte.
»Leider nein. Ich hab Fernsehen geguckt. Taggart. Ich kann die Spannung zwischen den einzelnen Folgen kaum ertragen, deshalb nimmt Cubby mir immer drei auf einmal auf. Dann kann ich richtig darin schwelgen.«
Nachdem er seine Geschichte losgeworden war, wurde Cubby in die Küche geschickt, um Tee zu machen. Barnaby wandte sich nun Mrs. Molfrey zu, die ihn mit lebhaftem Interesse betrachtete. Heute hatte ihr Teint den weichen, lebhaften Roseton von türkischem Honig. Ihre dunklen Augen leuchteten. Barnaby beschloß, die Gelegenheit zu nutzen und an ihr voriges Gespräch anzuknüpfen.
»Wir werden uns heute noch mit Ihrer Friseuse unterhalten, Mrs. Molfrey. Über ihren Termin mit Mrs. Hollingsworth. Und auch mit der jungen Frau, die bei Ihnen putzt.«
»Heather? Die wohnt in dem Sozialbau hinter dem Wirtshaus. Mit ihrem Freund und diversen Kindern, Er spielt eine Harley Davidson.«
Troy hielt im Schreiben inne und starrte Mrs. Molfrey mit offenem Mund an.
»Das ist eine Gitarre«, mischte sich Cubby aus der Küche ein.
»Das weiß der Sergeant doch selbst«, rief Mrs. Molfrey zurück. »So ein junger Kerl wie er.«
Der Kessel sprudelte und spuckte, und Cubby raste hin und her.
»Er ist ein leichtfertiger Junge«, sagte Mrs. Molfrey. Dann: »Ich bin ja so froh, daß Sie die Sache mit Simones Verschwinden ernst nehmen, Chief Inspector. Die von nebenan meinten zwar, ich sei zu weit gegangen, als ich Sie aufgesucht habe. Aber die würden ja sogar noch still sitzen, wenn ihnen das Haus über dem Kopf abbrennt, statt nach draußen zu laufen und auf sich aufmerksam zu machen.«
Sie sagte nichts von Brenda. Hieß das, daß die Tochter der Brockleys zurückgekommen war? Oder wußte Mrs. Molfrey nichts von ihrer Abwesenheit. Wie dem auch sei, da die Brockleys so verzweifelt darauf bedacht gewesen waren, daß niemand etwas von der Sache erfahren sollte, sah Barnaby keinen Grund, sie zu erwähnen.
»Ich frag mich schon die ganze Zeit, ob Alans Tod nicht irgendwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hat. Haben Sie da irgendeinen Anhaltspunkt, Chief Inspector? Oder warten Sie noch auf die Ergebnisse der Obduktion?«
Diese Krimifans waren wirklich zum Lachen. Troy griff nach seinem Notizbuch, das ihm vom Knie zu rutschen drohte. Er war begeistert, diese verrückte alte Schachtel wiederzusehen, und konnte den Blick nicht von ihr lassen. Sie kam ihm vor wie eine magische Gestalt aus einer Weihnachtsrevue oder einem Märchen. Hier fehlte nur noch eine schwarze Katze. Und ein Besen mit Zweigen um den Stiel. Troy freute sich schon richtig darauf, seiner Tochter vor dem Schlafengehen von Elfrida Molfrey zu erzählen. Er hatte sich bereits den ersten Satz ausgedacht: »Vor langer, langer Zeit Stand mitten in einem dunklen Wald eine seltsame Hütte...«
»Vergiß die leckeren Nußplätzchen mit Marmelade nicht.«
»Hey, ho!«, rief Cubby zurück.
Mrs. Molfrey streckte die Hand aus und zog einen zweietagigen Servierwagen an ihren Sessel. Auf dem oberen Brett befanden sich eine Lorgnette mit einem Halter aus Schildpatt und Gold, eine Zigarrenkiste mit Kugelschreibern und Bleistiften, Leimtopf und Schere, Schreibpapier und Briefumschläge, eine Flasche Mineralwasser, ein sauberes Glas und die aktuelle Ausgabe der Times. Dazu eine längliche weiße Klappkarte, die an das kupferne Schild auf dem Schreibtisch eines Bankdirektors erinnerte und auf der in kunstvollen lateinischen Buchstaben ihr Name stand.
»Um mich daran zu erinnern, wer ich bin«, erklärte Mrs. Molfrey, als sie den erstaunten Blick von Barnaby bemerkte. »Man
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