Inspector Barnaby 05 - Treu bis in den Tod
passen.
Er schämte sich für seine Neugier, redete sich aber ein, daß er ja rein in Sarahs Interesse handele, und fragte schließlich: »War es Alan?«
Sie stand am Fenster, mit dem Rücken zu ihm. Einige Sekunden glaubte er, sie würde so tun, als hätte sie die Frage nicht gehört. Er war gerade dabei, sie noch einmal zu stellen, da drehte sie sich um und sah ihn an. Obwohl sehr bleich, bemühte sie sich, ihre Fassung zu wahren. Nur ihre Finger waren in Bewegung und zerrten an ihren Kleidern herum. Ihre Stimme war leise und immer noch heiser vom Weinen.
»Warum hat er das getan, Gray? Ich meine, sich das Leben wegen einer solchen Frau zu nehmen, die so oberflächlich ... so habgierig...«
Es entstand eine kurze Pause. Gray merkte, daß er die Zähne so fest zusammengebissen hatte, daß ihn der Kiefer schmerzte. Schließlich sagte er: »Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht, warum dich das so mitnimmt.« Ganz bewußt betonte er das »dich«.
»Das ist eine Frage der Verantwortung.« Ihre Erklärung kam erst nach einigem Zögern. Gray hatte den Eindruck, daß sie nach etwas Glaubwürdigem gesucht hatte, das aber jegliche Intimität ausschloß. »Er muß sich völlig verzweifelt hinter diesen Gardinen versteckt haben. Hat getrunken, vielleicht sogar geweint. Wenn doch nur jemand zu ihm gegangen wäre und mit ihm geredet hätte...«
»Das haben einige Leute versucht. Er hat die Tür nicht aufgemacht.«
»Ich hab es nicht versucht.«
»Warum solltest du?«
»Aahh...!« Ein gequälter Schrei gellte durch den Raum. Keiner von beiden hörte das Klopfen an der Tür. Und dann war zu Grays Überraschung und großem Verdruß plötzlich noch eine dritte Person da.
Er beobachtete, wie Sarah sich zu fassen versuchte. Sie schien diese Unterbrechung beinahe zu begrüßen und bat Mrs. Jennings, die am liebsten auf der Stelle geflohen wäre, zu bleiben.
Da er wußte, daß die Einladung einzig mit dem Ziel ausgesprochen worden war, ihn loszuwerden, sah Gray keinen Sinn darin, länger zu bleiben. Der Augenblick der Offenheit war vorbei und als Strafe für seine grausame Plumpheit war alles zunichte gemacht worden, woran er sich hätte aufrichten können.
Geschieht mir ganz recht, dachte er, während er nach Hause stapfte. Er fragte sich, was er jetzt tun sollte. Ihr als treuer Freund eine Schulter zum Ausweinen anbieten? Aber er konnte beim besten Willen kein Mitgefühl aufbringen. War es möglich, daß eine intelligente, schöne Frau wie Sarah ihre Gefühle ausgerechnet an Hollingsworth verschwendete? Diesen langweiligen, verklemmten und geldgierigen Schleimer.
Als Gray an den blauen Pechkiefern vorbeiging, die sein Haus umgaben, stellte er fest, daß die Polizei in der Einfahrt auf ihn wartete. Er hatte nichts dagegen, mit auf die Wache zu kommen, um der Polizei bei ihren Ermittlungen weiterzuhelfen. Im Gegenteil, ihm war die Ablenkung beinahe willkommen.
Diesmal war alles ganz anders. Vielleicht lag das an der fremden Umgebung, einem trübsinnigen Raum mit eisblauen Wänden, einem schwarzen, genoppten Kunststoffboden und harten Stühlen mit Holzlehne. Der einzige Farb-klecks war ein Plakat mit einer detaillierten Abbildung von einem Kartoffelkäfer in Technicolor mit Anweisungen, was man tun solle, falls man das Glück hatte, einen zu sehen.
Die beiden Detectives, die bei ihm zu Hause gewesen waren, hatten ihm wenigstens eine Tasse Tee angeboten. Sie dagegen sahen ebenfalls anders aus. Strenger und unnahbarer, ganz offenkundig fühlten sie sich in ihrem eigenen Umfeld im Vorteil. Der ältere von ihnen stellte einen Kassettenrecorder an und nannte das Datum und die Namen der Anwesenden. Der jüngere Mann, der so nett zu Bess gewesen war, lief mit unfreundlichem Gesicht hin und her.
»Danke, daß Sie gekommen sind, Mr. Patterson.«
»Ich hatte nicht den Eindruck, daß ich eine andere Wahl gehabt hätte, Inspector... Entschuldigung, ich hab Ihren Namen vergessen.«
»DCI Barnaby.«
»Lange her, seit ich das letzte Mal irgendwohin chauffiert wurde.« Patterson lachte verlegen. Obwohl er sich nicht offenkundig unbehaglich fühlte, schien er doch ein wenig irritiert, sich plötzlich mitten im Herzen der Kriminalpolizei von Causton zu befinden.
Barnaby lächelte zurück. In diesem Stadium gab es keinen Grund, das nicht zu tun.
»Muß dieses Ding da an sein?«
»Ich fürchte ja, Sir. In Ihrem Interesse genauso wie in unserem.«
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