Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Nichtbetroffener am Unglück anderer teilzuhaben. Das kostete einen nichts, und man erlebte jede Menge interessanter Dinge. Da konnte er sogar die Sorte emotionsgeladener Gespräche genießen, die er unter normalen Bedingungen wie die Pest meiden würde.
Er wünschte nur, er hätte eine Kamera gehabt, um Mrs. Leathers Reaktion auf seine Bemerkung über ihren Mann festzuhalten. Trotz seines Talents, andere nachzuahmen, würde er diesen wunderbaren Ausdruck von Schuldbewusstsein niemals hinkriegen. Sie sagte doch tatsächlich: »Ich wusste doch, da war noch was.« Wie er eine ernsthafte Miene gewahrt hatte, würde ihm ewig ein Rätsel bleiben.
Da sie ohnehin schon in Causton waren, beschlossen sie, dass es das Vernünftigste wäre, zur Polizei zu gehen und Charlie als vermisst zu melden. Vorsichtshalber riefen sie erst noch mal zu Hause an, um sich zu vergewissern, ob er nicht inzwischen zurückgekehrt war.
Val hatte erwartet, man würde sie in einen besonderen Raum führen, doch der Constable am Empfang schob einfach ein gelbes Formular über die Theke, das Mrs. Leathers ausfüllen sollte. Wenn sie irgendwelche Hilfe brauchte, sollte sie ihn fragen.
»Da sind aber eine Menge komischer Fragen dabei«, bemerkte Mrs. Leathers, während sie brav schrieb. »Narben, Stottern und so was. Ethnische Merkmale. Das würde Charlie aber gar nicht gefallen.«
Val betrachtete die Plakate an den Wänden, die alle nicht sonderlich aufheiternd waren. Das Gesicht eines jungen Mädchens, voller Schnittwunden und Narben: Kein Alkohol am Steuer. Ein goldbrauner Labrador hechelnd hinter einem geschlossenen Autofenster: Wenn Sie zurückkommen, könnte er schon tot sein. Eine zerbrochene Spritze, darunter eine Hotline-Nummer. Er war gerade dabei, mehr über den Kartoffelkäfer zu erfahren, als er eigentlich wissen wollte, da merkte er, dass Mrs. Leathers ihn etwas fragte.
»Was soll das denn heißen, Eigentümlichkeiten?«
»Na ja, Sie wissen schon. In einem Ballettröckchen oder einem Nerztanga zum Abendgottesdienst gehen. So was in der Art.«
Das war ein Fehler gewesen. Mrs. Leathers rückte ein Stück von ihm ab und würdigte ihn keines Blickes mehr. Sie schrieb noch fast zehn Minuten lang, dann reichte sie das Formular über die Theke.
»Abschnitt vier, Madam«, sagte der Constable und schob es zurück. »Informant?«
»Ach ja. Entschuldigung.« Mrs. Leathers fügte ihren Namen, Adresse und Telefonnummer hinzu. »Soll ich Ihnen Bescheid sagen, wenn er wieder auftaucht?«
»Das wäre nett.«
»Er wollte doch nur einen Spaziergang machen.«
Der Constable lächelte. Falls er jedesmal, wenn er diesen Satz hörte, einen Fünfer bekäme, würde er jetzt in der Karibik herumschnorcheln und Pina Colada schlurfen. Trotzdem tat ihm die komische Alte Leid. Offenbar hatte sie tüchtig geweint, bevor sie sich aufraffen konnte herzukommen.
Er nahm das Formular wieder an sich, reichte es einem zivilen Angestellten, der nonstop Anrufe entgegennahm, und wollte sich gerade wieder an die Arbeit machen, als sich der Typ, der die alte Frau begleitete, zu Wort meldete.
»Entschuldigen Sie.«
»Sir?«
Doch Valentine redete nicht mit dem Polizisten. Er hatte Mrs. Leathers am Arm gefasst und zog sie behutsam zur Theke zurück. »Erzählen Sie ihnen das mit dem Hund«, sagte er.
Das änderte die Situation schlagartig, wie Mrs. Leathers Evadne erklärte, kurz nachdem sie nach Hause gebracht worden war. Evadne, die nicht wusste, dass Candy gefunden worden war, war vorbeigekommen, um sich nach Mrs. Leathers Telefonnummer zu erkundigen, damit sie sie auf ihre Zettel schreiben konnte.
Da schon fast Mittag war, bot Mrs. Leathers ihr eine Tasse Suppe und Toast an. Evadne, die genau wissen wollte, was passiert war, nahm das Angebot an. Sie war zwar etwas besorgt, als Mrs. Leathers eine Dose nahm, dachte aber, eine Tasse könne wohl nichts schaden. Die Suppe war von einem leuchtenden Orangerot, hatte ein samtige Konsistenz und schmeckte sehr süß. Sie erinnerte an kein Gemüse, das Evadne je in ihrem Leben gegessen hatte.
Doch Evadnes Neugier über die Herkunft ihres Mittagessens verschwand, sobald Mrs. Leathers anfing zu erzählen, was Candy Furchtbares zugestoßen war. Während sie entsetzt und voller Mitgefühl zuhörte, fragte sie sich, wie sie das nur überstehen würde, wenn das einem ihrer geliebten Pekinesen passiert wäre.
»Sie wird sich wieder erholen,
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