Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Kopf. Entsetzt aufstöhnend schloss sie die Augen und wartete, bis die Qual nachließ. Dann richtete sich Ann, während sie den Kopf ganz gerade hielt und sich leicht auf die Matratze stützte, so weit auf, dass sie sich gegen das Kopfteil lehnen konnte. Dort verharrte sie absolut reglos.
Der Staubsauger war ausgeschaltet worden. An der Tür ertönte ein leises Klopfen. Hetty Leathers steckte den Kopf ins Zimmer, dann kam sie vorsichtig herein.
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, Sie würden nie mehr aufwachen.« Sie ging zum Fenster und zog die Gardinen auf. Ein trübes Grau drang ins Zimmer.
»Machen Sie kein Licht!«
»Wollte ich auch gar nicht.« Sie setzte sich auf den Bettrand und nahm Anns Hand. »Du meine Güte, Mrs. Lawrence, was um alles in der Welt ist Ihnen denn zugestoßen?«
»Ich ... weiß nicht.«
»Ich hab gleich gesagt, Sie hätten nie zwei von diesen Tabletten nehmen dürfen. Das hab ich ihm gesagt.«
»Was?«
»Letzte Nacht. Als Sie ins Bett gegangen sind.«
»Aber ... Sie sind doch nicht hier ...« Ann seufzte tief und versuchte, den Satz zu Ende zu bringen. Es gelang ihr nicht.
»Abends? Eigentlich nicht. Aber er hat mich gestern gegen neun angerufen und wollte wissen, was mit seinem Abendessen wär.« In Hettys Stimme schwang immer noch die Verärgerung mit, die sie empfunden hatte. Als ob der Mann sich nicht eine Dose Suppe hätte öffnen und ein Sandwich machen können. »Also hab ich gedacht, ich komm besser heute Morgen noch mal wieder, sonst hätten Sie den ganzen Tag nichts zu essen gekriegt.«
»Wer hat angerufen?«
»Wer?« Hetty starrte sie verblüfft an. »Nun ja, Mr. Lawrence natürlich.«
»Ah.«
»Musste meine Nachbarin bitten, bei Candy zu bleiben. Ich wär auch gar nicht gekommen, wenn er nicht gesagt hätte, sie wären krank.«
»Ja.« Anns Wangen wurden rot, als ihr plötzlich einige lebhafte Szenen - scheinbar ohne jeden Zusammenhang - durch den Kopf schossen. Eine verwirrte Frau wird aufgegriffen und um sich schlagend in ein Auto gezerrt. Dieselbe Frau, nun weinend, stößt einen Mann von sich, der versucht, sie zu beruhigen, wehrt sich gegen eine Frau in Schwesternkleidung, die versucht, ihren Arm festzuhalten. Dann stabilisiert sich die Szene, wirkt jedoch weit entfernt, als ob man sie durch das falsche Ende eines Fernrohrs betrachten würde. Schließlich sitzt die Frau in einer Umgebung, die vage vertraut erscheint, aber dennoch nicht greifbar, wie ein Zimmer in einem Traum. Das Zimmer ist mit sperrigen, aber merkwürdig substanzlosen Möbeln vollgestopft. Tee läuft ihr das Kinn hinunter, und sie verschüttet ihn überall.
»Ich kann hier nicht bleiben!« Ann machte eine hastige Bewegung, und sofort wurde ihr übel. Sie drückte eine Hand auf ihren Mund.
»Was soll das heißen, Mrs. Lawrence? Wo wollen Sie denn hin?«
»Ich ... weiß nicht.«
»Sie versuchen sich jetzt erst mal auszuruhen. Da unten im Haus gibt es nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssten.« Hetty stand vom Bett auf. »Alles läuft wie geschmiert. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen was schönes Heißes zu trinken mache?«
»Mir ist schlecht.«
»Hören Sie.« Hetty zögerte. »Es mag mich ja nichts angehen, aber diese Beruhigungsmittel verträgt nicht jeder. An Ihrer Stelle würd ich das ganze Zeug aus dem Fenster schmeißen.«
Ann ließ sich vorsichtig wieder auf die Matratze sinken und legte den Kopf auf das Kissen. Flach auf dem Rücken liegend, starrte sie auf einen bestimmten Punkt an der Decke, und allmählich ließ die Übelkeit nach. Sie begann sich besser zu fühlen. Ein wenig gestärkt. Aber nur rein körperlich.
In ihrem Kopf herrschte immer noch ein Durcheinander von Geräuschen, Bildern und Eindrücken, die alle ziemlich sinnlos erschienen. Dann durchdrang ein einzelner Lichtstrahl wie ein Speer dieses Chaos, und Ann begriff, dass sie die Frau in dieser seltsamen traumartigen Sequenz war.
Diese Erkenntnis war zwar beunruhigend - sie hatte sich zum Gespött der Leute gemacht, war gewaltsam in das Auto ihres Mannes verfrachtet und gegen ihren Willen von einem Arzt behandelt worden -, aber sie war gleichzeitig auch tröstlich. Ihr Gedächtnis funktionierte noch, also hatte sie nicht völlig den Verstand verloren.
Aber wie war sie überhaupt in diese schreckliche Situation geraten? Ann versuchte sich zu konzentrieren. Bevor sie gefunden und ins Auto verfrachtet
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