Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
bewusst ganz langsam, um dem Mann Zeit zu geben, seine Klamotten anzuziehen. »Dem würd ich durchaus zutrauen, dass er splitterfasernackt die Tür öffnet.«
»Das will ich nicht hoffen«, sagte Sergeant Troy. »Bei uns gibt's heute abend Würstchen im Schlafrock.«
Jax öffnete das Fenster über ihren Köpfen und rief. »Es ist offen.«
Zum dritten Mal stieg Barnaby die schick ausgelegte Treppe hinauf. Er musste an seinen ersten Besuch denken, der mit einer widerlichen Szene aus Katzbuckeln und Weinen seitens Jacksons geendet hatte, nachdem sein Beschützer erschienen war. Und an den zweiten, vor drei Tagen, als sie den Chauffeur nach Carlotta Ryan gefragt hatten und er fast aus der Haut gefahren war, als Barnaby das Wort »Erpressung« fallen ließ.
Was würde sie also diesmal erwarten? Barnaby, der während seines gesamten Berufslebens immer vehement die Auffassung vertreten hatte, man müsse unvoreingenommen an alles herangehen, war das noch nie so schwer gefallen wie diesmal. Wenn er ganz ehrlich war, hatte er bei Terry Jackson sogar aufgegeben, sich darum zu bemühen. Obwohl er so gut wie keine Beweise dafür hatte, glaubte er, dass dieser Mann Charlie Leathers umgebracht und auch maßgeblich mit dem Verschwinden von Carlotta Ryan zu tun hatte.
Ohne zu klopfen öffnete er die Tür zur Wohnung und ging hinein. Jackson lehnte wieder am Fenster, diesmal mit dem Gesicht zum Raum. Er wirkte ziemlich selbstzufrieden, glänzend und gesättigt wie ein frisch gebürstetes, gerade gefüttertes Tier. Er trug einen dunkelblau-beige gestreiften Pullover und eine hautenge weiße Levi's 501. Seine Füße waren nackt, und sein feuchtes Haar klebte in kleinen widerspenstigen Locken am Kopf. Dauergewellt und gefärbt, dachte Barnaby, der sich an die dunklen fettigen Strähnen auf Jacksons altem Verbrecherfoto erinnerte. Das gab ihm für einen Augenblick eine gewisse Befriedigung. Dann lächelte Jackson ihn an, ein Lächeln wie ein Aufwärtshaken von Tyson, und die Befriedigung geriet ins Wanken und schwand.
»Sie haben mich auf dem Kieker, Inspector«, sagte Jackson. »Ich weiß, dass es so ist. Geben Sie's zu.«
»Kein Problem für mich, das zuzugeben, Terry.« Weil eine weitere Person im Raum war, ließ Barnaby seine Äußerung halb scherzhaft klingen. »Guten Tag, Mr. Fainlight.«
Valentine Fainlight murmelte irgendwas in Barnabys Richtung. Er wirkte verlegen, trotzig und auch ein wenig verärgert. Keine Frage, wobei sie gestört worden waren. Das ganze Zimmer roch nach Sex.
»Also, Jax, ich werd dann ...«
»Bleiben Sie, Sir«, sagte Barnaby. »Wir hatten immer noch keine Gelegenheit, mit Ihnen über das Verschwinden von Carlotta Ryan zu reden. Einer unserer Beamten ist wohl am Samstag noch mal bei Ihnen vorbeigekommen.«
»Da war ich den ganzen Tag in London.«
»Nun ja, jetzt sind Sie hier«, sagte Sergeant Troy, setzte sich in den orangenen Sessel und nahm sein Notizbuch heraus. Es war ihm unmöglich, einen höflichen Gruß, geschweige denn ein Lächeln zustande zu bringen. Wenn er eine Sorte Menschen verachtete, dann waren es Schwuchteln.
»Du weißt schon, zwei Fliegen und so, Val«, sagte Terry Jackson.
»Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie mich fragen. Ich habe kaum ein halbes Dutzend Worte mit dem Mädchen gewechselt.«
»Wir fragen jeden, Sir«, sagte Troy. »Das nennt man Von-Haus-zu-Haus-Befragung.«
»Die Nacht, in der sie verschwand«, fuhr Barnaby fort, »das war zwei Nächte, bevor Charlie Leathers getötet wurde. Sie ist vom alten Pfarrhaus weggelaufen, und wir glauben mittlerweile, dass sie in den Fluss gefallen ist oder - wahrscheinlicher - hineingestoßen wurde.«
»Du lieber Himmel.« Valentine starrte verblüfft im Raum herum. »Hast du das gewusst, Jax?«
»Oh, yeah.« Jackson zwinkerte Barnaby zu. »Die halten mich auf dem Laufenden.«
»Also haben wir uns gefragt«, sagte Sergeant Troy, »ob sie relativ spät an jenem Abend etwas gesehen oder gehört haben, was uns weiterhelfen könnte.«
»Das war wann?«
»Sonntag, den sechzehnten August.«
»Wir waren beide zu Hause, aber ganz ehrlich - oh, Moment mal. Das war der Abend, an dem wir Charlie mit seinem Hund gesehen haben. Ich kann mich deshalb erinnern, weil Betty Blue im Fernsehen lief. Aber ich verstehe nicht, wie Ihnen das bei der Sache mit Carlotta weiterhelfen könnte.«
»Darum geht es nicht«, sagte Jackson. »Die wollen dich
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