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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Melroses Jackett fuhr, sagte er: «Nur, daß die Seainghams sich ein paarmal heftig gestritten haben und daß er sich scheiden lassen wollte. Aber Mrs. Seaingham, strenggläubig, wie sie ist, wollte nichts davon wissen.» Er machte eine nachdenkliche Pause. «Ist Ihnen das mit Mr. MacQuade aufgefallen, Sir? Ich meine, gestern abend beim Dinner?»
    «Was soll mir aufgefallen sein? Sein Interesse für Mrs. Seaingham ist ja nicht zu übersehen.»
    «Das entzieht sich meiner Kenntnis, aber er hat die Portweinkaraffe nicht angehoben, er hat sie gekippt .»
    Und mit dieser sensationellen Enthüllung verließ Ruthven den Raum.
     
     
    Melrose entdeckte Susan Assington in der Bibliothek; in ihrem flaschengrünen Batistkleid wirkte sie an diesem Ort verloren wie ein vom Baum gefallenes Blatt. Offensichtlich nicht an den Umgang mit Büchern gewöhnt, stand sie vor einem Regal und blätterte mit einem Ausdruck so vagen Erstaunens in einem Band, daß man hätte meinen können, Gutenbergs Erfindung der Buchdruckerkunst läge gerade einen Tag zurück.
    «Sie sind auf der Suche nach Lektüre, Lady Assington?»
    Er hatte sie anscheinend überrascht, denn sie errötete und stellte das Buch hastig wieder an seinen Platz. «Nur etwas über Gärten.»
    Melrose konnte sie sich kaum mit einer Hacke in der Hand vorstellen. Er zeigte ihr Die dritte Taube . «Elizabeth Onions; das Buch kann ich Ihnen empfehlen, falls Sie das Ambiente einer Vogeljagd in Schottland mögen.»
    Offensichtlich war das keine Empfehlung für sie. «Ich kann Krimis nicht leiden. Ich kapier auch nicht, wie Sie darüber jetzt Witze reißen können.» Sie schien den Tränen nahe. «Schöne Bescherung.» Hinter der hochvornehmen Lady Assington aus Hampstead Heath kam in kritischen Phasen wie dieser wieder das Ladenmädchen Susan aus Lambeth zum Vorschein.
    «Tut mir leid. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Möchten Sie eine Zigarette?» Melrose hielt ihr sein goldenes Etui hin und hoffte, sie würde sich in einen der alten Ledersessel setzen und mit ihm plaudern.
    «Ja, warum nicht», sagte sie schmollend und ließ sich tatsächlich nieder.
    Melrose nahm in dem Sessel ihr gegenüber Platz und gab erst ihr, dann sich selbst Feuer. Ihm fiel auf, daß sie nervös mit ihrer Zigarette herumspielte.
    «Hier oben festzusitzen … wie im Gefängnis, genauso fühl ich mich. Wann, denken Sie, kommen wir hier je wieder weg? George ist zu einer seiner Versammlungen nach London gefahren und hat mich einfach hier hocken lassen.» Über dem elegant beschuhten Fuß, mit dem Susan Assington nervös auf und abwippte, glaubte Melrose eines dieser schlichten Laura Ashley-Kleider zu erkennen, die hundert Pfund und mehr kosten, die Trägerin aber wie ein einfaches Mädchen vom Lande aussehen lassen, das gerade ein goldenes Kalb gemolken hat. Ansonsten aber hatte Susan Assington nichts mit dem Typ jenes schlichten Landmädchens gemeinsam, der in Melroses romantischen Träumen bukolische Idyllen bevölkerte.
    «Haben Sie sie gut gekannt?»
    «Wen?» Sie schnippte ihre Zigarettenasche auf den Kaminrost.
    Die Frau hatte entweder wirklich ein Spatzenhirn, oder sie war eine gute Schauspielerin.
    «Beatrice Sleight.»
    «Oh», sagte sie, als sei ihr die Ermordete so gleichgültig wie Elizabeth Onions Tauben. «Nun, wir sind ihr hin und wieder begegnet. Eine, die mit allen Wassern gewaschen war, wenn Sie mich fragen, obwohl George sie für völlig harmlos hielt. ‹Harmlos›, hab ich zu ihm gesagt. ‹Sieh dir doch bloß mal die Bücher an, die sie schreibt.› Nicht, daß ich solchen Schund wirklich lese», beeilte sie sich hinzuzufügen.
    Aus dem Musikzimmer drangen die gequälten Klänge einer von Tommy Whittaker malträtierten Klavieretüde.
    Susan Assington preßte eine mit Smaragden beladene Hand gegen die Stirn. «Wenn der Junge doch bloß die Finger davon lassen würde. Ist mir ein Rätsel, wie seine Tante dazu kommt, ihn für musikalisch zu halten.» Sie blätterte in einer Modezeitschrift und reichte sie Melrose. «Was halten Sie von dieser Frisur?» Als wäre er ihr Friseur.
    Geduldig zog Melrose seine Brille hervor und studierte das Foto. Das Haar des Models stand senkrecht in die Höhe, seine Augenränder waren schwarz nachgezogen. Sie machte auf Melrose den Eindruck, als wäre sie dem Ungeheuer von Spinney Moor begegnet. Oder vielleicht war sie es gar selbst? «Nicht für Sie, Lady Assington. So wie Sie Ihr Haar jetzt tragen, steht es Ihnen bestimmt besser.»
    Sie fuhr sich über den

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