Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Bandaufzeichnung aus dem Gaitano's; persönlich hatte er Dämon noch nie gesehen. Das Haar sah ähnlich aus... vielleicht auch die Nase, die Form des Kinns. Aber nichts davon war besonders ungewöhnlich. Der Mann, der jetzt im Bild war, sah dem Kunden, der gerade eben gegangen war, sehr ähnlich. Aber Janice war überzeugt.
»Das ist er, ich könnte es beschwören.« Sie sah Zweifel in seiner Miene. »Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht so wäre.«
»Natürlich nicht.«
»Es ist nicht nur das Gesicht oder das Haar oder die Kleidung... auch seine ganze Haltung, wie er da stand. Und dieses ungeduldige Zappeln.« Sie wischte sich die Augen mit einem Zipfel des Taschentuchs. »Das war er, John. Das war er.«
»Okay«, sagte Rebus. Er spulte das Band zurück, ließ die letzten Minuten vor 13.40 Uhr noch einmal ablaufen. Er konzentrierte sich auf den Hintergrund, um festzustellen, ob er Dämon auf dem Weg zum Automaten sehen konnte. Er wollte wissen, ob er allein gewesen war. Aber er trat unvermittelt von der Seite ins Bild. Wieder dieser Blick zurück, dorthin, wo er gerade hergekommen war. War da ein leichtes Nicken gewesen... ein Signal an eine andere Person, an jemanden außerhalb des Bildausschnitts...? Rebus spulte erneut zurück und sah es sich noch einmal an.
»Wonach suchst du?«, fragte Janice.
»Nach jemandem, der vielleicht bei ihm war.«
Aber da war nichts. Also ließ er das Band weiterlaufen und wurde ein, zwei Minuten später durch ein paar Beine belohnt, die oben durchs Bild spazierten, direkt hinter dem Kunden am Automaten. Zwei Beinpaare, ein männliches, ein weibliches. Rebus drückte auf die Standbildtaste, schaffte es aber nicht, ein wirklich ruhiges, scharfes Bild zu bekommen. Also spulte er das Band zurück und spielte es noch einmal ab, wobei er den Füßen mit dem Finger folgte.
»Kommen dir die Hosen, die Schuhe bekannt vor?«
Doch Janice schüttelte den Kopf. »Sind ja ganz verschwommen.« Sie hatte Recht.
»Könnte sonst wer sein«, fügte sie hinzu. Sie hatte Recht.
Sie stand auf. »Ich geh in die George Street.« Er wollte etwas sagen, aber sie schnitt ihm das Wort ab. »Mir ist klar, dass er nicht da sein wird, aber da sind Geschäfte, Pubs -ich kann wenigstens sein Foto herumzeigen.«
Rebus nickte. Sie packte ihn am Arm.
»Er ist noch immer hier, John. Das ist doch immerhin etwas!«
Als sie den Raum verließ, hielt sie jemandem die Tür auf, der gerade hereinkam: Siobhan Clarke.
»Was Neues von ihm?«, fragte Rebus.
Siobhan ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. »Billy Hörman?« Rebus schüttelte den Kopf. »Cary Oakes.«
Sie reckte den Hals. Er hörte es knacken. »Wieder ein Tag rum«, sagte er.
Sie nickte. »Ich arbeite nicht an Oakes. Ich bin an Billy Boy dran.«
»Keine Fortschritte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir brauchten ein Dutzend zusätzliche Beamte. Vielleicht sogar ein paar Dutzend.«
»Ich versuche mir gerade vorzustellen, wo das Budget dafür herkommt.«
»Vielleicht, wenn wir ein paar Erbsenzähler abstoßen.«
»Vorsicht, Siobhan. Sie outen sich als Anarchistin.«
Sie lächelte. »Und wie geht's Ihnen? Ich hab gehört, Oakes war drauf und dran, Sie beide umzulegen.«
»Der Tatterich hat inzwischen aufgehört«, sagte er. »Wie wär's mit einem Drink?«
»Nicht heute Abend. Ich hab ein Date mit einem heißen Bad, und dann lass ich mir was zu essen kommen. Und Sie?«
»Schnurstracks nach Haus, genau wie Sie.«
»Na dann...« Sie stand auf, als ob es sie einige Mühe kostete. »Bis morgen.«
»Nacht, Siobhan.«
Im Weggehen wedelte sie mit den Fingern über ihre Schulter.
Rebus hielt beinah Wort - vorher nur noch den einen Zwischenstopp. Greenfield, Cragside Court. Die Dunkelheit brach allmählich herein, aber es waren noch immer Kinder auf dem Spielplatz, wenn auch unter der Aufsicht eines GGP-Mitglieds. Die trugen neuerdings T- Shirts mit einem Logo vorne drauf, waren von Tag zu Tag besser organisiert. Die Frau in dem T-Shirt hatte Rebus eingehend gemustert. Sie wusste, dass sie ihn schon mal gesehen hatte, erkannte ihn aber nicht als Anwohner.
Oben blieb er an der Brüstung stehen und sah hinaus über Greenfield. Auf der einen Seite Holyrood Park, auf der anderen die Altstadt und die Baustelle des neuen schottischen Parlaments. Er fragte sich, ob man der Siedlung gestatten würde, weiterzubestehen. Er wusste, wenn die Stadtverwaltung wollte, dass sie vor die Hunde ging, dann würde sie das auch schaffen. Reparaturen würden nicht mehr
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