Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

fiel nicht ein Wort. Blutergüsse an Gesicht und Körper: Er hatte seinem Anwalt gesagt, Jim Margolies habe ihn zusammengeschlagen. Keine Zeugen. Nach einhelliger Meinung selbst zugefügt. Rebus wusste, dass er Rough selbst gern ein paar reingehauen hätte, aber von Margolies war nicht bekannt, dass er sich je an Verdächtigen vergriffen hätte.
    Es hatte eine interne Ermittlung gegeben, in der Margolies die Anschuldigung bestritt. Eine ärztliche Untersuchung hatte die Frage, ob Rough sich die Verletzungen selbst beigebracht hatte, nicht klären können. Und damit hatte die Angelegenheit geendet: mit einem kaum wahrnehmbaren Fleck auf Margolies' blütenweißer Personalakte, dem Hauch eines Zweifels, der über dem Rest seiner Laufbahn schwebte.
    Rebus schloss die Akte und trug sie zurück ins Archiv.
    Mairie: Ich glaube, bei Ihnen drin ist irgendwas schief gelaufen .
    Roughs Sozialhelfer: Es war Ihr Verein, der ihn hier haben wollte .
    Rebus ging zum Büro des Farmers, klopfte an, trat ein, als er dazu aufgefordert wurde.
    »Was kann ich für Sie tun, John?«
    »Ich habe mich ein bisschen mit Darren Roughs Sozialhelfer unterhalten, Sir.«
    Der Farmer sah von seinem Papierkram auf. »Gab's einen bestimmten Grund?«
    »War bloß neugierig, warum Rough eine Wohnung mit Aussicht auf einen Kinderspielplatz bekommen hatte.«
    »Mit der Frage haben Sie sich bestimmt beliebt gemacht.« Ohne jeden missbilligenden Ton. Sozialarbeiter rangierten auf der Werteskala des Farmers nur ein, zwei Stufen über Pädophilen.
    »Der Mann hat mir gesagt, wir wären es überhaupt gewesen, die ihn hier haben wollten.«
    Das Gesicht des Farmers legte sich in Falten. »Was soll das heißen?«
    »Er meinte, ich sollte Sie fragen.«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Der Farmer lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Wir wollten ihn hier haben?«
    »Das hat er jedenfalls gesagt.«
    »Das heißt, in Edinburgh?«
    Rebus nickte. »Ich habe gerade Roughs Akte durchgesehen. Er hat eine Zeit lang in einem Heim gelebt.«
    »Aber nicht Shiellion, oder?« Der Farmer wirkte interessiert. Rebus schüttelte den Kopf. »Callstone House, anderes Ende der Stadt. Nur für kurze Zeit. Beide Eltern waren Alkoholiker, vernachlässigten ihn. Er hätte nirgendwo sonst hingekonnt.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Die Mutter machte einen Entzug, Rough kam wieder nach Haus. Später wurde bei ihr ein Leberschaden diagnostiziert, bloß da dachte keiner mehr daran, Rough wieder einzuweisen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er sich mittlerweile um seinen Vater kümmerte.«
    Der Farmer warf einen Blick auf seine Kollektion von Familienfotos.
    »Das Leben, das manche Leute führen...«
    »Ja, Sir«, pflichtete ihm Rebus bei.
    »Also der langen Rede kurzer Sinn?«
    »Nur das: Rough kommt nach Edinburgh zurück, angeblich, weil wir ihn hier haben wollen. Das Nächste, was passiert: Der Beamte, der ihn eingebuchtet hatte, spaziert auf den Salisbury Crags über die Kante.«
    »Sie unterstellen doch nicht etwa einen Zusammenhang?« Rebus zuckte die Achseln. »Jim isst mit Frau und Tochter bei irgendwelchen Freunden zu Abend. Fährt anschließend nach Hause.
    Legt sich ins Bett. Am nächsten Morgen ist er tot. Ich suche nach möglichen Gründen, warum sich Jim Margolies das Leben nehmen sollte. Das Problem ist: Ich finde keine. Und ich frage mich außerdem, wer wollen könnte, dass Darren Rough wieder herkommt, und warum.«
    Der Farmer sah nachdenklich aus. »Möchten Sie, dass ich mit der Sozialbehörde rede?«
    »Mit mir würden die Typen jedenfalls nicht reden.«
    Der Farmer griff nach Papier und Stift. »Geben Sie mir einen Namen.«
    »Roughs Sozialhelfer heißt Andy Davies.«
    Der Farmer unterstrich den Namen. »Überlassen Sie das mir, John.«
    »Ja, Sir. In der Zwischenzeit würde ich mir gern Jims Selbstmord näher ansehen.«
    »Dürfte ich fragen, warum?«
    »Um festzustellen, ob nicht doch ein Zusammenhang mit Rough besteht.« Und vielleicht , hätte er hinzufügen können, um
    meine Neugier zu befriedigen .
    Der Farmer nickte. »Zur Shiellion-Sache... wann sagen Sie da aus?«
    »Morgen, Sir.«
    »Denken Sie an das Geheimnis eines guten Auftritts bei Gericht, John.«
    »Gepflegte Erscheinung, Sir?«
    Der Farmer schüttelte den Kopf. »Sehen Sie zu, dass Sie genügend zu lesen dabeihaben.«
    An dem Abend fuhr er auf dem Nachhauseweg bei seiner Tochter vorbei. Sammy war von ihrer »Kolonie«-Wohnung im ersten Stock in eine ziemlich neue ebenerdige Wohnung in einem