Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
auf dem Bett aus. Ein Teil von ihm hätte den Job am liebsten gleich hingeschmissen. Aber der andere Teil war noch immer hungrig. Er wollte , dass diese Jungchen in der Redaktion ihn bewundernd anstarrten und sich fragten, ob sie
jemals so gut, so clever sein würden. Er wollte Oakes' Story. Anschließend konnte er noch immer seinen Abschied nehmen:
krönender Abschluss und so. Er dachte wieder an Rebus. Fragte sich, was es Oakes einbringen konnte, sich mit ihm anzulegen. Soweit Stevens wusste, war bislang noch niemand mit Rebus in den Ring gestiegen, ohne wenigstens ein paar Blessuren davonzutragen. Und manchmal... manchmal war es nicht ohne Streckverband und ein paar Wochen Krankenhaus abgegangen.
Aber Oakes hatte scharf ausgesehen, kampfbereit, wie er Rebus herausgefordert hatte.
Jim Stevens war als Oakes' Babysitter abgestellt, aber es kam ihm so vor, als habe Oakes entweder was vor - oder aber einen stark ausgeprägten Todestrieb. So oder so kein leichtes Baby zum Sitten.
»Das ist dein letzter Job, Jim«, gelobte sich Stevens. Und beschloss, die Abmachung mit einem Überfall auf die Minibar zu besiegeln.
13
Das Budget für die Observierung war so knapp bemessen, dass sie nur noch Ein-Mann-Schichten fahren konnten. Vier Uhr früh, Rebus konnte nicht schlafen, also fuhr er raus zum Hafen und parkte auf einer durchgehend geöffneten Tankstelle. Siobhan Clarke saß in einem zivilen Rover 200. Sie hatte sich wie zu einer Bergtour angezogen: die Hosenbeine in dicke Socken und Kletterschuhe gesteckt; dazu Daunenjacke und Bommelmütze. Auf dem Beifahrersitz: Notizbuch und Stift, drei leere Tüten fettarme Chips, zwei Thermosflaschen. Rebus setzte sich in den Fond und reichte eine Pastete aus der Mikrowelle und einen Becher Kaffee nach vorn.
»Danke«, sagte sie.
Rebus sah hinüber zum Hotel. »Irgendwas passiert?« Sie schüttelte den Kopf, kaute und schluckte. »Aber ich mach mir ein bisschen Sorgen. Es gibt einen Notausgang nach hinten raus. Den kann ich unmöglich auch noch im Auge behalten.«
»Wahrscheinlich hat Oakes sowieso einen Jetlag.«
»Sie meinen, er schläft den ganzen Tag und ist die ganze Nacht wach?«
»Daran hatte ich gar nicht gedacht.« Rebus lehnte sich nach vorn.
»Ist er überhaupt noch nicht draußen gewesen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nach all den Jahren im Gefängnis leidet er vielleicht unter Platzangst.«
»Vielleicht.« Rebus wusste, dass sie Recht haben konnte. Er hatte ehemalige Sträflinge gekannt, die mit der Außenwelt - dem ganzen leeren Raum und Licht - einfach nicht mehr klarkamen. Am Ende wurden sie rückfällig, nur damit man sie wieder einbuchtete.
»Zu Abend hat er im Restaurant gegessen.« Sie nickte in Richtung der großen Fenster des Hotelspeisesaals.
»Hat er Sie gesehen?«
»Weiß nicht genau. Sein Zimmer liegt im zweiten Stock. Dieses Fenster da ganz hinten.«
Rebus sah nach oben. Zwölf kleine quadratische Glasscheiben. Das Fenster war unten zwei Finger breit auf. »Woher wissen Sie das?«
»Ich hab den Hotelmanager gefragt.«
Rebus nickte. Order vom Farmer: nicht nötig, diskret vorzugehen.
»Wie hat's der Mann aufgenommen?«
»Er wirkte wenig begeistert.« Sie steckte sich das letzte Stück Pastete in den Mund.
»Wir wollen nicht, dass sich Oakes' Aufenthalt zu angenehm gestaltet, oder?«
»Nein, Sir«, sagte Clarke.
Rebus öffnete seine Tür. »Geh mich nur ein bisschen umsehen.« Er hielt inne. »Was tun Sie eigentlich, wenn Sie müssen?«
Sie hielt eine der Thermosflaschen in die Höhe, klaubte einen Trichter vom Boden auf.
»Und was, wenn Sie...?«
»Selbstbeherrschung, Sir.«
Er nickte. »Kommen Sie mit den Thermosflaschen bloß nicht durcheinander.«
Draußen war es frisch. Geräusche von nächtlichem Verkehr am Hafen, ab und an ein Taxi, das am Ende der Straße vorbeisauste. Taxis: Er musste bei denen noch nach Dämon und der Frau fragen. Er ging ums Hotel herum und gelangte auf den Parkplatz. Der Notausgang war abgeschlossen. Daneben standen vier Müllcontainer, die durch eine hohe Bretterwand von den Autos der Gäste abgetrennt waren. Jim Stevens' Astra war leicht zu finden. Rebus riss ein Blatt aus einem Notizbuch, kritzelte ein paar Worte darauf, faltete es zusammen und steckte es unter den Scheibenwischer. Er ging zurück zum Notausgang und prüfte nach, ob er sich auch wirklich nicht von außen öffnen ließ. Als er wieder zur Straße zurückkehrte, war er sich sicher, dass Oakes das Hotel zwar durch die Hintertür verlassen
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