Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
leises Schmunzeln. Er wirkte so, als habe er schon ein paar intus, aber Rebus sah, dass er Cola trank. »Vielleicht noch was zum Nachspülen?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Und ich zahl selbst«, sagte er.
Die Bar bot eine reiche Auswahl. Rebus entschied sich für etwas Feuriges: Laphroaig, mit einem Spritzer Wasser, um die Glut zu mildern. Cary Oakes versuchte, die Rechnung zu unterschreiben, aber Rebus gab nicht nach.
»Na, dann auf Ihre Gesundheit«, sagte Oakes und hob sein Glas.
»Sie spielen gern, stimmt's?«, fragte Rebus.
»Im Gefängnis hat man sonst nicht viel zu tun. Ich hab mir Schach beigebracht.«
»Ich spreche nicht von Brettspielen.«
»Sondern?« Oakes' Augen lagen halb unter den Lidern verborgen.
»Na, Sie treiben doch gerade ein Spielchen.«
»Und zwar?«
»Anekdoten erzählen. Ein paar zu viele davon und jedem, der Ihnen zuhört.« Er deutete mit dem Kopf auf die Barkeeper, die sich ans andere Ende des Tresens verzogen hatten, um Gläser zu spülen.
»Theater, auch eine Art von Spiel.«
»Sie könnten damit im Fernsehen auftreten. Nein, im Ernst. Sie haben so was von Durchblick. Geht in Ihrem Beruf wohl auch nicht anders.«
»Fällt Jim Stevens drauf rein?«
»Worauf?«
»Auf die Geschichten, die Sie ihm erzählen. Wie viel von der Wahrheit liefern Sie ihm?«
Oakes' Augen wurden schmal. »Wie viel Wahrheit kann er Ihrer Meinung nach vertragen? Wenn ich ihm mehr Details lieferte, glauben Sie, dass seine Zeitung die abdrucken würde?« Er schüttelte langsam den Kopf. »Die Menschen vertragen nur ein bestimmtes Quantum Wahrheit, John.« Er beugte sich näher zu Rebus hinüber.
»Soll ich Ihnen was darüber sagen, John? Soll ich Ihnen erzählen, wie viele ich wirklich getötet habe?«
»Erzählen Sie mir von Deirdre Campbell.«
Oakes lehnte sich wieder zurück, trank einen Schluck. »Alan Archibald glaubt, ich hätte sie getötet.«
»Und, haben Sie?« Rebus bemühte sich, die Frage mögliehst beiläufig klingen zu lassen. Führte sein Glas an die Lippen.
»Spielt das irgendeine Rolle?« Oakes lächelte. »Für Alan schon, nicht? Warum wäre er sonst angerannt gekommen, gleich als ich ihn angerufen habe?«
»Er will die Wahrheit - die ganze Wahrheit.«
»Vielleicht haben Sie Recht. Und was wollen Sie , John? Warum sind Sie hier reingehechelt gekommen? Soll ich's Ihnen verraten?« Er machte es sich auf dem Hocker bequem. »Die Morgenschicht hat mich zurückkommen sehen. Ich fragte mich, ob der Mann auch wach war: Arme verschränkt, Kopf seitlich runtergefallen. Ich dachte, er war vielleicht eingenickt.« Er schnalzte missbilligend mit der Zunge.
»Ich weiß nicht, ob er wirklich mit dem Herzen dabei ist. Bei dem Job, meine ich, der Polizeiarbeit. Er sieht mir ganz wie der Typ aus, der konsequent auf den Ruhestand hinarbeitet.«
Was ein ziemlich treffendes Charakterbild Bill Prydes war. Natürlich hatte Rebus nicht vor, das zuzugeben.
»Ich glaube, Sie haben ebenfalls Probleme mit Ihrem Job - aber in anderer Hinsicht.«
»Haben Sie sich außer Schach auch Psychologie beigebracht?«
»Als es keine neuen Bücher mehr zu lesen gab, habe ich angefangen, Menschen zu lesen.«
»Sie haben Deirdre Campbell getötet, stimmt's?«
Oakes legte sich einen Finger an die Lippen. Dann: »Haben Sie
Gordon Reeve getötet?«
Gordon Reeve - auch so ein Gespenst; ein Jahre zurückliegender Fall... Jim Stevens hatte aus der Schule geplaudert.
»Verraten Sie mir eins«, sagte Rebus, »treiben Sie mit Stevens Tauschhandel? Sie erzählen ihm eine Geschichte, er muss Ihnen dafür eine andere erzählen?«
»Ich interessiere mich einfach für Sie.«
»Dann werden Sie auch wissen, dass ich Gordon Reeve getötet habe.«
»Absichtlich?«
»Nein.«
»Sind Sie da sicher? Sie haben einen Drogendealer erstochen ... er ist gestorben.«
»Notwehr.«
»Ja, aber wollten Sie, dass er stirbt?«
»Reden wir doch von Ihnen, Oakes. Warum haben Sie sich damals Deirdre Campbell ausgesucht?«
Oakes setzte wieder ein süffisantes Lächeln auf. Rebus hätte ihm am liebsten eine reingehauen. »Sehen Sie, John? Sehen Sie, wie einfach es ist, das Spiel zu spielen? Man erzählt Geschichten, das ist alles. Uralte Geschichten, Dinge, von denen wir gern glauben würden, dass wir sie vergessen können.« Er glitt vom Hocker herab. »Jetzt gehe ich auf mein Zimmer. Ein schönes heißes Bad, denke ich, und dann vielleicht ein Video. Später lasse ich mir möglicherweise ein Sandwich raufkommen. Möchten Sie, dass man
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