Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Pizzeria und dann Taxis. Deirdre hatte gesagt, sie wolle laufen. Sie wohnte in Dalry und würde nur zwanzig Minuten brauchen.
Die Polizei befragte den jungen Mann, der mit ihr zusammen gewesen war, mit ihr getanzt hatte. Er hatte gefragt, ob er sie nach Haus begleiten dürfe, aber sie sagte Nein. Er wohnte weit draußen, in Comistqn, und war froh, in einem der Taxis mitfahren zu können. Deirdre hatte sich allein auf den Heimweg gemacht.
Und war auf einem Hügel ermordet aufgefunden worden. Kleidung in Unordnung, aber keinerlei Anzeichen von Vergewaltigung oder Missbrauch. Ein Schlag auf den Kopf mit anschließender Strangulation.
Drei Tage später hatte Cary Oakes, mit einem Rucksack und einer Sporttasche bepackt, Schottland verlassen. Keiner von seinen Angehörigen wusste von seinen Plänen. Sie hatten erst wieder etwas von ihm gehört, als er, über zwei Monate später, verhaftet worden war.
Sie hatten es nicht für nötig gehalten, die Polizei zu benachrichtigen, ihn als vermisst zu melden.
»Er war alt genug, um selbst zu entscheiden, was er tun wollte«, hatte sein Onkel Alan Archibald gegenüber gesagt. »Wir wussten, dass er was zum Anziehen und so mitgenommen hatte, da dachten wir, er hat sich einfach aus dem Staub gemacht.«
Anhand von Polizeiberichten und Zeugenaussagen hatte Archibald Cary Oakes' amerikanische Odyssee rekonstruiert. Von New York aus war er mit dem Bus landeinwärts gefahren. Während seines Prozesses sagte Oakes aus, er habe das getan, »weil es das war, was alle Pioniere getan haben: nach Westen ziehen«. Er verbrachte eine Woche in Chicago und machte dort nichts anderes, als die Stadt zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrmitteln zu durchstreifen. Dann trampte er weiter nach Westen und machte wieder Station, diesmal in Minneapolis, wo er beschloss, seine Reisekasse durch Raubüberfälle aufzubessern. Ein paar kleinere Erfolge, denen ein schwererer Rückschlag folgte: Er geriet an eine Frau mit Pfefferspray in der Handtasche und einem mörderischen linken Haken. Er verließ Minneapolis mit einem blauen linken und einem blutunterlaufenen und brennenden rechten Auge. Er aß in Fernfahrerlokalen an der 1-94, kam durch Fargo und Billings und erreichte noch Spokane, ehe seine finanzielle Situation verzweifelte Dimensionen annahm. Er brach in ein paar Häuser ein, versuchte, seine magere Ausbeute zu versetzen. Die Pfandleiher erkannten Diebesgut, wenn sie welches sahen, boten ihm ein paar Dollar an, und als er sie daraufhin anpöbelte, gaben sie seine Personenbeschreibung an die Polizei weiter.
Er übernachtete mittlerweile im Freien, lernte Gleichgesinnte kennen. Schloss sich einer kleinen Gang von Ladendieben an. Mit seinem »komischen Akzent« lenkte er die Verkäufer ab und hielt sie beschäftigt, während die anderen unbemerkt ihrer Arbeit nachgingen. Schon prahlte er damit, er sei auf der Flucht, habe in Schottland jemanden »kalt gemacht«. Da er keinerlei nähere Angaben machte, wurde die Behauptung als reine Angeberei aufgefasst. Auf der Straße verbarg sich jeder hinter einem Schild aus Lügen und Hirngespinsten. Sie hatten alle schon mit goldenen Löffeln gegessen; alle waren sie früher was Besseres gewesen.
In Spokane hatte er Dorothy Anne Wreiss ermordet, eine geschiedene Zweiundvierzigjährige, die an drei Tagen die Woche als Kindergärtnerin arbeitete. Sie wohnte in einer Siedlung am Stadtrand. Man nahm an, dass Oakes sie im Einkaufszentrum gesehen hatte und ihr nach Haus gefolgt oder aber durch die Siedlung gestreunt war, bis er ihren Kombi in der Auffahrt entdeckt hatte.
Sie wurde in ihrer Küche aufgefunden, die Einkaufstüten noch unausgepackt auf der Frühstückstheke. Ihre zwei Katzen hatten sich auf ihrem Rücken zusammengerollt und schliefen. Sie war mit einem Stein niedergeschlagen und anschließend mit einem Geschirrhandtuch erdrosselt worden. Ihr Geldbeutel war leer, ebenso das Schmuckkästchen in ihrem Schlafzimmer. Am Tag darauf hatte Oakes versucht, ihre Uhr zu verpfänden. Während der Verhandlung hatte er behauptet, er habe sie von einem seiner Vagabundenfreunde geschenkt bekommen, einem gewissen Otis. Aber keiner von denen, die ihn kannten, hatte je von einem Mann dieses Namens gehört.
Er setzte sich nach Seattle ab, blieb da über eine Woche. Dort gab es einen ungelösten Fall, den man mit ihm in Verbindung zu bringen versucht hatte: Ein Mann war auf dem Parkplatz des King Dome bewusstlos aufgefunden worden. Man hatte ihm mehrere Schläge auf den
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