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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Ferrari, der Jaguar XJ-S, der in nicht mal elf Sekunden von null auf sechzig geht, der 1967er Maserati und der Aston Martin.» Sie lehnte sich zurück.
    Wiggins räusperte sich. «Das sind nur acht, Miss.» Er zählte noch einmal stumm nach.
    Jury sah, daß Macalvie kurz davor war, um sich zu schlagen.
    Jessica blickte nachdenklich zur Decke. «Hab ich den Mercedes mit aufgezählt? Den mag ich nicht besonders.»
    Wiggins notierte ihn. «Ihr Onkel ist Sammler, nicht wahr?» Er leckte die Bleistiftspitze.
    «Ja. Er ist eins achtzig und hat blondes Haar und hellbraune Augen.» Sie musterte Jury. «Er sieht gut aus. Er hat mich aufgenommen, als mein Vater vor vier Jahren gestorben ist.»
    Victoria Gray lachte auf: «Eher hast ja wohl du ihn aufgenommen.»
    Jury sah sich Victoria genauer an: hübsch mit ihren halb geschlossenen Lidern, scheint es wohl nicht zu mögen, wenn man ihr die Gedanken vom Gesicht abliest. Die Bemerkung, die ihr herausgerutscht war, war ihr peinlich, und betreten sagte sie: «Entschuldigung, aber könnte ich mich anziehen?» Sie wickelte sich fester in den samtenen Morgenmantel.
    «Tun Sie sich keinen Zwang an», sagte Macalvie. «Abgesehen von verschwundenen Onkels interessiert uns hier sowieso nichts.»
    Jessie fragte: «Sie werden nicht einmal nach ihm suchen, was?»
    Das kleine Mädchen blieb hartnäckig, und das beeindruckte Jury. Ihr Onkel mußte ein äußerst verläßlicher Mann sein. «Doch, das werden wir», verkündete er.
    Macalvie steckte die Hände in die Taschen. «Als hätten Sie nicht schon genug um die Ohren.»
    «Ich möchte Lady Jessica nur ein paar Fragen stellen.»
    «Dann legen Sie endlich los, zum Teufel. Ich verzieh mich lieber zu Freddie. Browne kann mich absetzen, und Sie kommen mit dem Auto nach, wenn Sie hier Ihre kostbare Zeit verplempert haben. Kommen Sie, Wiggins. Ein Glas von Freddies Cider, und Sie sind ein neuer Mensch. Wird Sie umhauen.»
    Wiggins sah Jury an, Jury nickte. Er amüsierte sich darüber, daß Wiggins – oder besser die Apotheke, die Wiggins herumschleppte – für Macalvie unentbehrlich geworden war.
     
     
    I M S ALON HÖRTE SICH J URY geduldig die Geschichten von hoffnungsloser Liebe und gebrochenen Herzen an, die Jessica über ihre Mutter erzählte. Sie hielt ein Foto in der Hand, das sie von einem Tisch genommen hatte und auf dem die wunderschöne Barbara Allan-Ashcroft zu sehen war. Schon möglich, daß sie tatsächlich so viele Herzen gebrochen hatte.
    Ein zweites Foto zeigte ihren Vater, hier war er gegenüber seinem Porträt über dem Kamin blaß und merklich gealtert, wohl eine Folge seiner schweren Krankheit.
    «Sie ist hübsch, was?»
    «Sie ist mehr als nur hübsch. Sie ist wirklich schön. Und du siehst ihr ähnlich.» Die Frau war um die Zwanzig, jedenfalls mußte sie gut zwanzig Jahre jünger als ihr Mann gewesen sein. Jury konnte das Märchen von Kummer und gebrochenen Herzen beinahe glauben. Leider litt Jessie aber am Scheherazade-Syndrom. Nach jeder Redepause trug sie in ihrer Geschichte von Not und Tod noch dicker auf und zwang Jury, wenn er sich erheben wollte, ihr weiter zuzuhören. Scheherazade oder Hephaestus, Jury war sich nicht sicher. Er wollte eben aufstehen und schwups, da fiel das goldene Netz herunter und zog ihn wieder aufs Sofa. Der vermeintliche Besuch des Axtmörders war ein Klacks gegen das tragische Leben von Barbara Allan. Und wenn tatsächlich so viele Männer wegen Jessicas Mutter an gebrochenem Herzen gestorben waren, so mußte die Einwohnerzahl von London W 1, Devon und Chalfont St. Giles damals merklich zurückgegangen sein. Jessie versicherte Jury allerdings, daß ihre Mutter nie im Leben einem Verehrer absichtlich weh getan habe.
    Barbara Ashcroft war ein paar Monate nach Jessies Geburt gestorben. Als ihr Onkel Robert nach Australien ging, war sie noch gar nicht auf der Welt gewesen. Victoria Gray, eine Cousine, war zur Beerdigung von Barbara Allan gekommen, und Jessicas Vater hatte sie gebeten zu bleiben. Es hatte noch eine alte Köchin gegeben, die besonders an Lady Ashcroft gehangen und nach ihrem Tod lieber gekündigt hatte. Danach war Mrs. Mulchop gekommen. Und die ganze Gouvernantenriege.
    Niemand im heutigen Haushalt kannte Robert Ashcroft von früher, ehe er nach Australien gegangen war.
    Jessie erzählte von ihrem Vater, ihrem Onkel, ihren anderen, durchweg entfernten Verwandten. «Nach der Testamentseröffnung haben sie sich plötzlich ständig gemeldet, bis Onkel Rob sie rausgeschmissen

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