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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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schlafen?»
    Aber das war Sharon zu hoch. Sie nahm ihre Kerze wieder in die Hand und hob den Arm, als wolle sie ihren Schützling auf den Kopf schlagen. Aber Inspector Browne kam dazwischen. Nichts, so lautete das Ergebnis der Polizisten. Null Komma nichts. Keine Leiche, kein Blut, keine Spur eines Einbruchs. Alle blickten Jessie an.
    «Ein Alptraum», sagte sie. «Ich habe so gräßlich von Onkel Robert geträumt. Er ist seit sechs Tagen weg.»
    Worauf Sharon erneut die Hand hob, um sie zu schlagen. Victoria Gray wandte sich mit gequältem Blick ab. Und Mrs. Mulchop störte die kleine Aufführung, sie kam mit Henry hereinmarschiert. «Wieso war denn Henry in meiner Speisekammer eingesperrt? Kannst du mir das erklären, Fräuleinchen?»
    Einer von Brownes Männern blätterte in einem Notizbüchlein. «Uns wurde gemeldet, daß es sich bei dem Opfer um einen gewissen Henry Ashcroft handelt, um den Ehrenwerten Henry Allan-Ashcroft.»
    Ehe Sharon oder Victoria oder Mrs. Mulchop auf diese Mitteilung reagieren konnten, war Jessie aufgesprungen. «Henry! Ein Glück, daß dir nichts passiert ist.» Sie umarmte ihren Hund, wobei ihr alle zuschauten und sich doch sehr wundern mußten.

13
    A LS AUF DER P OLIZEIWACHE von Lyme Regis um vier Uhr morgens das Telefon klingelte, schien Brian Macalvie zunächst einfach nur ein bißchen irritiert zu sein. Er hielt den Hörer wie ein brüllendes Baby an sein Ohr. Macalvie hätte ein frischgebackener Vater sein können, dachte Jury, der Mann schien überhaupt keinen Schlaf zu brauchen. Den ganzen Tag waren sie unterwegs gewesen, in Exeter und Dorchester.
    Macalvie hörte sich an, was die Stimme am anderen Ende der Leitung zu sagen hatte, und hörte plötzlich auf, an seinem Fisherman’s Friend herumzulutschen. Wiggins hatte ihm ein Tütchen dagelassen und sich dann zum «Weißen Löwen» aufgemacht, um sich eine Mütze Schlaf zu holen. Macalvie hob im Zeitlupentempo die Füße vom Schreibtisch. Der Stuhl knarrte unter seinem Gewicht, als er sich aufrecht hinsetzte. Er nickte und sagte: «Ja, ja, ich habe verstanden.» Erlegte auf und stützte den Kopf in die Hände.
    «Was zum Teufel ist passiert?» fragte Jury, der überrascht war, Macalvie so zerknirscht zu sehen.
    «Dartmoor. Dieses Scheiß-Dartmoor. Es scheint wieder loszugehen.»
     
     
    «D ARTMOOR », SAGTE W IGGINS und erschauerte, als sie von der A35 abbogen und in Richtung Ashburton fuhren.
    «Wird Ihnen gefallen», sagte Macalvie, «sie haben ein Gefängnis und Ponys, und der Regen fällt schräg vom Himmel.»
    Das mit dem Regen stimmte. Wiggins kauerte im Mantel auf der Rückbank. «Sie sollten langsamer fahren, Sir. Da war ein Schild ‹Nicht für Wohnwagen geeignet›.»
    «Fahren wir etwa mit einem Wohnwagen?» fragte Macalvie und bretterte die einspurige Straße, die sich durch mauerdicke Hecken schlängelte, in einem Tempo von rund fünfzig Meilen pro Stunde entlang. Für Macalvies Mitfahrer, aber auch für die Insassen der entgegenkommenden Autos konnte man nur beten.
    Es war sieben Uhr morgens, doch es hätte genausogut sieben Uhr abends sein können – der Regen, die Nebelschwaden, die dunklen Felsformationen, die vor dem düsteren Himmel emporragten. Als sie die heckengesäumte Straße verlassen hatten, sah Jury meilenweit nur braunrote Heideflächen, verkrüppelte Bäume und hier und da ein hingeducktes Haus.
    Als sie etwa eine halbe Meile vor Ashcroft eine Kurve durchfuhren, konnten sie das Haus schon sehen: ein großzügiges Gebäude von größter architektonischer Harmonie. Von der langen, geschwungenen Auffahrt aus sah Jury, daß die Parkanlage aus einem angelegten Garten – gepflegte Hecken und Blumenrabatten – und aus einem verwilderten Teil bestand, weshalb sie aussah, als hätte der Gärtner mitten in der Arbeit Spaten und Hacke fallen lassen.
    Vor dem Haus standen zwei Polizeiautos.
    «Nettes Fleckchen Erde», sagte Macalvie und bremste so scharf, daß der Kies aufspritzte.
    «Was zum Teufel meinen Sie mit ‹Trick›?»
    Detective Inspector Browne sah aus, als suchte er nach dem berühmten Mauseloch, in dem er verschwinden könnte. «Entschuldigung, Sir. Das kleine Mädchen, Jessica Ashcroft – Lady Jessica meine ich, die hat wohl –»
    «Ist mir piepegal, wie Sie sie nennen, Browne. Erzählen Sie mir endlich, was hier gespielt wird.»
    Browne schaute zu Boden und sagte: «Als wir es ihr endlich aus der Nase gezogen hatten, da waren Sie schon unterwegs nach Ashcroft …»
     
    Jessica musterte die

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