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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ich Ihnen lieber nicht, sonst stolpern Sie jedesmal über Ihr Stativ, wenn er nur einen Mucks macht.»
    Der Whisky hatte ihre Anspannung etwas gelöst, und sie lachte. «Das tu ich doch sowieso, Sie Dummkopf.» Die schwarze Katze schreckte auf, rollte sich dann aber wieder zusammen. «Und wenn ich ablehne, dann erpressen Sie mich bestimmt: ‹Spiel mit, Baby, du wirst es nicht bereuen!›»
    Jury lachte. Sie hatte Macalvies hartgesottenen Detektivton genau getroffen.
    «Er scheint sich für Sam Spade zu halten.» Sie trank einen Schluck. Zwei. «Also, was würde ich fotografieren müssen?»
    «Als Fotografin für die Illustrierte müßten Sie natürlich vorwiegend die Autos fotografieren. Aber auch die Bewohner von Ashcroft. Wir brauchen ein paar Fotos für eine Identifizierung –»
    « Sie sind doch die Polizei. Gehen Sie einfach hin und fotografieren Sie die verdammten Dinger.»
    «Aber wir haben kein Fitzelchen Beweismaterial, das einen offiziellen Besuch rechtfertigen würde. Bei Ihnen hingegen wäre das alles ganz unauffällig.»
    «Ziemlich unauffällig, ich habe nämlich nicht vor, Ihren Auftrag anzunehmen. Warum soll ausgerechnet ich es tun?»
    «Weil Sie eher schüchtern sind, und Ashcroft, der Vormund des Mädchens, steht auf Schüchternheit. Da kann er den Ritter herauskehren.»
    «Besten Dank!» fauchte sie und stürzte ihren Whisky hinunter. «Scheint mir nicht gerade die Art von Frau zu sein, der eine Top-Illustrierte Aufträge anvertrauen würde.»
    «Schon, bei Ihrem Talent.»
    Sie senkte den Kopf. In ihrer Stimme war keine Bitterkeit, nur Resignation. «Ich kann das nicht. Außerdem weiß ich nicht, warum ich das tun sollte.»
    «Aber ich.»
    «Ach, hören Sie auf mit diesem Mist ‹Tu’s für dich, Molly, du brauchst das –›» Er hörte, daß ihr die Tränen kamen.
    «Nein, tun Sie’s für mich.»
    Es war totenstill, nichts war zu hören außer einem Holzscheit, das zerfiel, und dem Rauschen der Wellen. Sie sah nicht auf und rührte sich nicht, saß mit hochgezogenen Füßen auf dem Sofa, in sich zusammengerollt wie die Katze und genauso still.
    Jury wartete.
    Sie starrte ihr Glas an, das sie in der Hand herumdrehte, und sagte schließlich mit tonloser Stimme: «Ich brauche Filme. Die Illustrierte dürfte Farbfotos haben wollen. Extracolor Professional oder Extrachrome X.» Sie lächelte eisig. «Oh, ich hätte fast vergessen, daß ich nur so tun soll als ob, ich nehm, was ich hab.»
    «Nein, machen Sie’s so, wie Sie es bei einem echten Auftrag gemacht hätten. Nehmen Sie die richtige Ausrüstung mit.»
    Sie sah Jury an, immer noch mit diesem eisigen Lächeln, und schüttelte den Kopf. «Würden Sie’s merken?» Sie drehte sich zum Feuer. «Besorgen Sie mir einen Weichzeichner.»
    Er schrieb es sich auf und kam sich dabei mies vor. Dann ging er zum Sofa, beugte sich vor, schob ihr das schwarze Haar aus dem Gesicht und küßte sie auf die Wange. «Danke, Molly.» Es war wie im Hotel. Einen Moment saß sie wie versteinert mit dem Glas auf dem Knie da. Im nächsten Augenblick sprang sie auf und schleuderte ihr Glas in den Kamin. Sie drehte Jury den Rücken zu. Er wollte die Splitter wegräumen. Das Haus roch nicht nach Whisky, sondern nach Verzweiflung. «Kümmern Sie sich nicht um die Scherben.»

24
    D EN F AHRER HATTE J ESS noch nicht gesehen, aber beim Anblick des Autos erfaßte sie ein leichter Schwindel: ein Lamborghini, neben dem Ferrari das beste Sportauto auf der ganzen Welt. Onkel Robert war seit Jahren dahinter her.
    Silbrig funkelnd glitt der Wagen die Auffahrt entlang, kam dann zum Halten, und eine Frau mit einem Aluminiumköfferchen über der Schulter stieg aus. Sie sieht aus, als käme sie aus London, dachte Jessie. Das mit dem Auto war schon schlimm genug, mußte die Fahrerin denn auch noch gut aussehen! Unter ihrem grauen Cape trug sie eine perlgraue Bluse, einen Rock und graue Lederstiefel. Sie schien ihre Kleidung passend zum Auto auszuwählen.
    Ihr Onkel und die anderen waren nicht zu Hause. Man erwartete den Fotografen um zwei Uhr, und es war erst kurz nach eins. Sie war viel zu früh gekommen. Jessie beobachtete, wie die Frau die Freitreppe hochstieg und klingelte. Mrs. Mulchop und Jessie, die beide öffnen wollten, stießen kurz vor der Tür zusammen. «Benimm dich ein einziges Mal», sagte Mrs. Mulchop, die bereits die Hand auf der Türklinke hatte. «Und keine Streiche, hörst du!»
    Jessie lächelte gnädig. Ein paar Autos zu fotografieren, das würde ja wohl nicht

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