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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Angebot bekäme er nicht alle Tage. Ihre Stimme klang plötzlich angestrengt.
    «Nur wenn’s schnell geht», rief er zurück.
    Der Kaffee mußte schon fertig gewesen sein, denn kaum daß das Trockenfutter für die Katze in die Schüssel gerasselt war, stand Molly damit im Zimmer.
    Es folgten die üblichen Fragen, wieviel Zucker, wieviel Sahne und ob er ein Stück Sandkuchen wolle. Es herrschte eine fast unerträgliche Spannung. «Nett von Ihnen, daß Sie sich vorher angemeldet haben.» Sie musterte ihren Sandkuchen. «Von Macalvie wäre das wohl zuviel verlangt.»
    Das war ohne Zweifel richtig. «Ach, Polizisten.» Er deutete mit dem Kopf zur Küchentür, wo sich der prächtige schwarze Kater putzte. «Schlimmer als der da. Unmenschen, treten Türen ein, fallen einfach ins Haus.»
    Jurys Lächeln hatte die erhoffte Wirkung. Molly entspannte sich und sagte: «Sie nicht. Sie machen mir keine Angst, Mr. Jury.»
    «Nennen Sie mich doch Richard! Und Macalvie darf nie erfahren, daß ich ein Typ bin, vor dem man keine Angst hat. Der schickt mich glatt nach London zurück.»
    «Kann man denn jemanden von Scotland Yard einfach so nach London zurückschicken?»
    Jury lachte, und sie lehnte sich gelöst zurück, um ihren Kaffee zu trinken. Heute trug sie statt ihrer Secondhand-Klamotten ein hellgelbes Wollkleid, das aussah, als wolle sie damit Geister vertreiben und Dämonen besänftigen. Aber das konnte sie nicht. Konnte das überhaupt jemand? «Macalvie –» Das wollte er nicht laut sagen. Mit einem Lachen fügte er schnell hinzu: «Sie kennen Macalvie nicht …» Er hatte nicht drauf anspielen oder über ihr Dilemma hinweggehen wollen, deshalb hielt er ihrem Blick stand. Sie sah enttäuscht aus, aber dann setzte sie ein entschlossenes Lächeln auf. Er dachte an die Szene im Hotel. Molly brachte es fertig, über ihren Schatten zu springen. Und zwar nicht schlecht. Darüber machte er sich Sorgen.
    «Nett, daß Sie mich besuchen kommen», sagte sie. Jury schwieg sich aus, und Molly fuhr fort: «Superintendent Macalvie biegt sich alles zurecht, so daß es in seine Sicht der Dinge paßt.»
    «Nein. Er ist schließlich ein Profi. Der biegt nichts zurecht.»
    Die Katze ließ sich auf einem Stuhl nieder und warf ihm einen ebenso feurigen Blick zu wie Molly Singer. «Na schön, vielleicht biegt er sich nichts zurecht, aber er dreht ein wenig an allem herum.» Sie griff in das unterste Fach des Schränkchens neben dem kleinen Sofa und holte eine Flasche Whisky heraus. «Einen Schuß in den Kaffee?»
    Jury schüttelte den Kopf und betrachtete sie, wie sie mit der Flasche auf dem Schoß dasaß. Es war eine volle Flasche, und sie brach das Siegel, schraubte sie aber nicht auf, sondern starrte sie nur an, als wäre sie ein fremd gewordener, guter alter Freund. Sie brauchte eigentlich nichts zu trinken, sie wollte sich wohl ablenken. Was sie wirklich brauchte, konnte ihr niemand geben, dabei sehnte sie sich so sehr danach. Es betrübte Jury, daß er als Polizist ihr nur schwachen Trost würde bieten können.
    Eine tolle Ausrede, Jury , sagte er bei sich. Natürlich hätte er sie trösten können. Aber Molly Singer hatte einfach etwas an sich, das ihm angst machte.
    «Wieso ist sich Chief Superintendent Macalvie so sicher, daß ich Mary Mulvanney bin?»
    «Weil man Mary Mulvanney eben nicht vergessen kann.» Er lächelte. «Sie allerdings auch nicht.»
    «Weil wir mit Sachen werfen?»
    «Nein. Sie haben Angst, daß Mary Mulvanney noch Verdächtiger ist.»
    «Ist sie auch.»
    «Warum?»
    «Weil das die Einschätzung von Chief Superintendent Macalvie ist.»
    Jury lächelte. «Er könnte sich täuschen.»
    «Der? Warum machen Sie ihm das dann nicht klar? Wohl, weil Sie zu bequem sind.» Sie unterbrach sich und sagte dann, ohne ihn anzusehen: «Wissen Sie noch, wie das war: mit sechzehn verliebt zu sein?»
    «Genauso wie mit vierzig, oder?» Er sah sie so lange an, bis sie seinem Blick nicht mehr ausweichen konnte. «Warum fragen Sie?»
    Sie rutschte langsam zur Sofakante, als wäre sie sehr müde und sehr alt. «Ach, Superintendent …»
     
    Sie verstehen überhaupt nichts. Sie hatte es nicht ausgesprochen, aber ihr Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel darüber, daß sie es meinte. Mary Mulvanney hatte sicherlich Grund, die Welt zu hassen. Ja, Mary Mulvanney hatte allen Grund, unter Zwangsvorstellungen zu leiden. Wie Molly Singer …
    «Sie denken genau wie er.»
    Jury blickte sie erstaunt an. Sie hatte ihn angestarrt, hatte nach Anzeichen

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