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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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sich zu ihr hinüber und senkte die Stimme. «Ich hab natürlich keinem erzählt, daß ich dich den Balken runterklettern gesehen habe –» er zeigte zum Fenster – «in der Mordnacht.»
    «Verpiß dich, Bubi. Das ist erstunken und erlogen!» Sie zog aus der Tasche ihrer Strickjacke einen Zigarettenstummel, knipste das verkohlte Ende ab und steckte sich den Rest in den Mund. Sie brachte die Kippe zum Brennen, blies Melrose den Gestank ins Gesicht und sagte stolz: «Heute morgen hab ich ’nen Skunk gehäutet.»
    Trueblood hatte ein kleines, silbernes Taschenmesser hervorgeholt und säuberte sich die Fingernägel. Die Sache schien ihn nicht weiter zu beeindrucken. «Einen Skunk hast du gehäutet? Was du nicht sagst!»
    Mrs. Withersby nickte, klopfte mit ihrem leeren Glas auf den Tisch, blickte gen Himmel und brüllte beinahe. «Ja, gehäutet, und den Kadaver hab ich an einen Baum genagelt! Anscheinend war das eine Warnung an die Götter dort oben. Meine Mudder hat das auch gemacht, wenn was im Anzug war. Vertreibt die bösen Geister –»
    Und noch einmal ging die Tür auf, und Lady Ardry erschien, in ihr Inverness-Cape gehüllt.
    «Anscheinend nicht alle», meinte Melrose. Er beobachtete, wie seine Tante ins Dunkel spähte und dann die heitere Runde entdeckte. Was für ein Bild sie wohl abgaben?
    Sie kam an ihren Tisch gestapft. «Hier bist du also!»
    «Hallo, altes Mädchen», sagte Trueblood; es klappte sein kleines Taschenmesser zusammen und ließ es in die Tasche gleiten. «Setzen Sie sich zu uns?»
    «Ja, setz dich doch», sagte Melrose. «Drei deiner liebsten Menschen in Long Pidd haben sich hier versammelt, um dich zu begrüßen.» Er stand auf, um ihr einen Stuhl anzubieten.
    Mrs. Withersby nuschelte gerade ein Willkommen, als Lady Ardry plötzlich ihren Stock schwenkte und sie beinahe enthauptet hätte. «Ich muß mit dir reden, Plant.» Sie starrte düster auf die andern. «Unter vier Augen.»
    Trueblood machte keine Anstalten zu gehen; ungerührt trank er sein Bier. «Setzen Sie sich doch, Withers hat ein Stinktier gehäutet.»
    Agatha sah aus, als würde sie Trueblood am liebsten unter den Tisch prügeln. « Sie hab ich auch schon gesucht, Mr. Trueblood. Hätte mir ja denken können, daß Sie sich hier herumtreiben und zechen, statt nach Ihrem Laden zu schauen. Dabei steht die Tür sperrangelweit auf. Wissen Sie denn nicht, daß jeder reinspazieren und sich bedienen könnte?»
    «Stimmt. Und haben Sie sich bedient? Taschen nach außen, ja, so ist’s brav – unter diesem Cape könnte sich mein kleines viktorianisches Sofa verbergen.»
    Agatha fuchtelte mit ihrem Stock herum, und Trueblood wich zurück. «Ein Wort unter vier Augen, mein lieber Plant.»
    Melrose gähnte. «Oh, warum kommst du nicht nach Torquay. Wir haben einen hübschen kleinen Ausflug geplant, du wärst die vierte im Bunde.»
    Als Agatha mit ihrem Stock auf den Tisch schlug, fuhr Mrs. Withersby erschrocken hoch, brabbelte etwas und schlurfte davon.
    «Scroggs!» brüllte Agatha und nahm auf Mrs. Withersbys Stuhl Platz. «Bringen Sie mir von diesem kratzenden Sherry.»
    Mrs. Withersby war jedoch wieder zurückgekehrt.
    «Wenn’s heute abend runterfällt, wenn’s vom Baum fällt, dann ist der Zauber gebrochen, und nichts kann mehr passieren.» Und sie ließ ihren leeren Krug auf den Tisch heruntersausen, so daß diesmal Agatha von ihrem Stuhl aufsprang.
    «Was phantasieren Sie da, gute Frau?»
    «Ich sagte Ihnen doch», meinte Trueblood, «das Stinktier. Wir warten darauf, daß es vom Baum fällt, damit wir wieder ruhig in unsern Betten schlafen können.»
    «Mr. Trueblood, in Ihrem Laden warten zehn Leute darauf, bedient zu werden. Sollten Sie sich nicht um sie kümmern?»
    Trueblood leerte sein Glas und erhob sich träge. «Zehn Leute in meinem Laden, das gab’s noch nie. Aber ich seh schon, ich bin hier nicht erwünscht. Tja  …» Er entfernte sich.
    «Du hast’s geschafft, alle zu vertreiben, Agatha. Was zum Teufel willst du?»
    Triumphierend verkündete sie: «Wir haben Ruby Judds Armband gefunden!»
    « Was? Wer ist ‹wir›?»
    «Ich. Und Denzil Smith.» Sie erwähnte den Namen so beiläufig, daß Melrose sofort vermutete, daß der Pfarrer den Fund gemacht hatte.
    «Sie haben doch das Pfarrhaus von oben bis unten durchsucht. Wo war es denn?»
    Agathas Antwort ließ auf sich warten. Er stellte sich einen Maulwurf vor, der in den Gängen ihres Gehirns nach einer Antwort suchte, die sie nicht in Verlegenheit bringen würde.

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