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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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überhaupt schreiben können.»
    «Wo haben Sie sich vorgestern abend aufgehalten, Miss Praed?»
    «Oh, jetzt geht’s los. Ich kann natürlich mit keinem Alibi aufwarten. Ich saß hier an meiner Schreibmaschine und habe getippt.» Sie blickte weg.
    «Haben Sie Katie O’Brien gekannt?»
    «Katie? Warum fragen Sie?»
    «Littlebourne scheint unter keinem glücklichen Stern zu stehen, was?»
    «Meinen Sie etwa, sie hatte etwas mit diesen Briefen zu tun?»
    Jury zuckte die Achseln. «Ist eigentlich kaum anzunehmen, denn sie sind einen Tag nach dem Überfall auf sie abgestempelt worden.»
    «Ich gebe zu, sie sind ziemlich pubertär, und Katie wurde von Mary furchtbar gegängelt. Ich meine, unterdrückt. Aber anonyme Briefe, nein, dazu war sie einfach zu anständig. Ich meine, ist – wir reden schon so, als ob sie tot wäre. Es ist schrecklich. Wenn Sie mehr über sie erfahren wollen, sollten Sie mit Emily Louise Perk sprechen. Der Altersunterschied zwischen den beiden ist zwar ziemlich groß, sie waren aber trotzdem immer zusammen, nach der Schule oder Samstag nachmittags. Wahrscheinlich, weil sie beide solche Pferdenarren sind. Obwohl Katie sich natürlich nicht mit Emily messen kann, was das betrifft. Niemand kann das. Sie kümmert sich auch um die Gäule der Bodenheims. Emily weiß über alles Bescheid. Aber man kriegt nicht so einfach was aus ihr heraus – nur, wenn man sich auf irgendeinen Tauschhandel einläßt.»
    «Tauschhandel?»
    «Hmm. Wenn Sie was wissen wollen, müssen Sie ihr was spendieren. Sie haben mich heute morgen zwei Eierbrötchen gekostet.»
    «Ich?»
    «Sie wußte schon, wer Sie waren, noch bevor Sie aus dem Wagen gestiegen sind.»
    Dann hätte sie ihn also wirklich nicht zweimal nach seinem Namen zu fragen brauchen. «Ich weiß es zu schätzen, daß ich Ihnen zwei Eierbrötchen wert gewesen bin.»
    Errötend senkte sie den Blick auf die Käseplatte. «Und eine Tasse Tee», sagte sie matt.

8
    «Ü ber jeden Verdacht erhaben , Sir !» antwortete Sir Miles, als Jury ihn nach den Briefen fragte, und das verkniffene Lächeln, das Sir Miles’ bescheidene Einschätzung der Bodenheimschen Familie begleitete, erfüllte einen doppelten Zweck: Scotland Yard konnte es entweder für bare Münze nehmen oder als einen Beweis für Miles Bodenheims Fähigkeit, über sich selbst zu scherzen. So oder so waren die Bodenheims allen in Littlebourne überlegen.
    Jury brauchte nur den Fuß über die Schwelle ihres Salons zu setzen, und schon wußte er, warum Polly Praed die Littlebourner Morde schrieb. Drei Köpfe – Miles’, Sylvias und der ihrer Tochter – hatten sich nach ihm umgedreht, als würde ihnen ein ganz besonderes Spektakel geboten; der vierte bewegte sich jedoch kaum. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, eine gelangweilte Miene zur Schau zu tragen. Derek Bodenheim hing in seinem Sessel und drehte ein Glas mit irgendeiner Flüssigkeit in der Hand; sein Gesichtsausdruck hatte etwas Herausforderndes, als wartete er nur darauf, sich mit Jury anzulegen.
    Nachdem er Jury einen Fingerhut voll Sherry angeboten hatte, ließ Miles Bodenheim sich sofort wieder nieder und wandte sich seinem Tee zu. Er trug ein lohfarbenes Jackett und ein schwarzes Ascottuch mit kleinen, weißen Punkten, in dessen Falten sein Frühstücksei trocknete. Als Jury den Sherry ablehnte, schien Sylvia Bodenheim sich verpflichtet zu fühlen, ihm eine Tasse Tee anzubieten. Aber ihre Hand tat sich so schwer, an die Teekanne zu kommen, und ihre Stimme klang so matt, daß Jury sich nicht einmal die Mühe machte, dankend abzulehnen.
    «Wer war sie, haben Sie das inzwischen rausgefunden?» fragte Derek und versank noch tiefer in seinen Sessel. Was immer er vom Aussehen seines Vaters ererbt hatte, bei ihm war es völlig verwässert; seine Züge wirkten so weich und formbar, daß man den Eindruck hatte, man könne auf seinem Gesicht mit dem Daumen einen Abdruck hinterlassen.
    «Das versuchen wir gerade. Hier im Dorf scheint sie niemand gesehen zu haben.»
    «Außer Daddy und dem dämlichen Vogelverein geht keiner in diesem Wald spazieren», sagte Julia. Sie hob den Kopf, als wäre er die hübscheste Sache, die Jury in Littlebourne zu Gesicht bekommen würde. Seit seiner Ankunft war sie pausenlos mit ihrem Gesicht und ihren Posen beschäftigt gewesen. Sie hatte ihm rätselhafte Blicke zugeworfen und ihre lange Mähne geschüttelt, als säße sie einem Modefotografen gegenüber.
    «Dämlich? Nichts ist dämlich an den königlichen Vogelfreunden.

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