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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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heraus. Jury zog seinen Mantel aus und legte ihn auf ein Sofa. Er sah sich in ihrem Arbeitszimmer um, oder wie immer sie es bezeichnete. Vor dem kleinen Fenster mit dem Blick auf die Grünanlage stand ein ziemlich mitgenommener Schreibtisch, der mehr oder weniger den ganzen Raum einnahm; ein genauso mitgenommen aussehender roter Kater leckte sich die Vorderpfoten. Um den Hals trug er ein rotes Tuch, eine Siegesfahne vielleicht, als Zeichen des harterkämpften Siegs über weniger glückliche Katzen. «Hübsches Tier», sagte Jury; ein Versuch, ihr die Befangenheit zu nehmen.
    «Das ist Barney», platzte sie heraus wie eine steckengebliebene Schauspielerin, der man ihr Stichwort zugeflüstert hat.
    «Barney sieht aus, als könne er gut für sich selbst sorgen.»
    «Oh, im Grunde ist er ein ziemlicher Hasenfuß.»
    Barney schien diesen Kommentar nicht einfach so hinnehmen zu wollen. Er hörte auf, sich zu putzen, und setzte sich unnahbar und majestätisch in Positur, stellte die Pfoten nebeneinander und legte den Schwanz darum wie den Saum einer Staatsrobe. Er funkelte die beiden an.
    Als die Katze keinen Gesprächsstoff mehr hergab, fragte Jury: «Kann ich mich für einen Augenblick setzen? Es wird nicht lange dauern.»
    «O ja.» Wie in Trance drehte sie sich um und hielt nach Stühlen Ausschau, als hätten die Möbelpacker gerade ihre Wohnung leergeräumt.
    «Da drüben steht einer», informierte Jury sie. Neben dem Stuhl stand ein Beistelltischchen mit einem Imbiß aus Käse und Crackern. «Habe ich Sie gerade beim Tee gestört? Tut mir leid.»
    Sie schüttelte den Kopf, daß ihre Locken hüpften, und setzte sich, wobei sie auf einen anderen Stuhl deutete. Sie bot ihm sogar von dem Käse und den Crackern an, doch Jury lehnte ab.
    «Wie lange leben Sie schon in Littlebourne, Miss Praed?» Es würde schwierig werden, dieses Gespräch mit ihr, das sah er bereits. Manche Leute ließen sich von der Polizei offenbar völlig verunsichern.
    Sie beugte den Kopf über einen Cracker und ein Stück Käse, das sie sich von dem Teller genommen hatte. Wie schaffte sie es nur, ein Stückchen Käse wie einen kleinen Tierkadaver aussehen zu lassen?
    «Ah, schon sehr lange. Ah, ich glaube, seit zehn oder fünfzehn Jahren …» Sie stellte umständliche Berechnungen an, wie lange sie nun schon in dem Dorf lebte, und kam schließlich zu dem Ergebnis, daß es zwölfeinhalb Jahre sein mußten, ein Ergebnis, das Jury zur genaueren Prüfung unterbreitet wurde.
    «Ich habe gehört, Sie sind Schriftstellerin – Kriminalromane. Anscheinend ist mir noch keiner unter die Finger gekommen.»
    Auf dieses Geständnis reagierte sie wie elektrisiert: «Hoffentlich nicht. Ich meine, sie würden Ihnen bestimmt nicht gefallen. Sie würden sie nur schrecklich finden. Sicher können die meisten Kriminalbeamten Krimis nicht ausstehen, vor allem nicht solche, wie ich sie schreibe, mit einem Inspektor vom Scotland Yard als Helden. Keinerlei Ähnlichkeit mit lebenden Personen –» Nach diesem Wortschwall widmete sie sich wieder ihrem Cracker und dem Stück Käse.
    «Das ist auch besser so. Schließlich ist der Alltag eines Polizisten ziemlich langweilig.» Jury lächelte, ein Lächeln, das einmal eine Siebenjährige dazu bewegt hatte, ihm ihre restlichen Smarties aufzudrängen. Polly veranlaßte es leider, nach einer häßlichen Hornbrille zu greifen, die sie sich auch prompt vor die Augen schob.
    «Ich habe Sie sicher beim Schreiben unterbrochen. Das tut mir leid.»
    «Es braucht Ihnen aber nicht leid zu tun», beeilte sie sich, ihm zu versichern. «Ich habe nur die verschiedenen Möglichkeiten durchgespielt, wie man jemand ins Jenseits befördert.»
    «Durchgespielt?»
    «Na ja, so wie man Tonleitern übt. Meine Versuchskaninchen sind die Bodenheims. Der Titel: Die Littlebourner Morde. »
    «Welches Familienmitglied haben Sie sich denn erkoren?»
    «Die ganze Familie. Ich hab sie alle schon mehrmals um die Ecke gebracht. Mit Revolvern, Messern, vorgetäuschten Autounfällen, bei denen das Auto über die Klippen geht. Im Augenblick experimentiere ich mit Gift. Curare ist gar nicht so schlecht. Käse?» Sie schob ihm die Platte hinüber. Er schüttelte den Kopf, während sie einen weiteren Krümel Käse auf einen Cracker setzte. Dann fragte sie beiläufig: «Wie war doch wieder Ihr Name?»
    «Jury. Von Scotland Yard.»
    «Ach ja, wirklich? Kriminalbeamter also?»
    Er hatte angenommen, das sei schon längst geklärt. «Richtig. Sie haben sicher von der Frau

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