Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes

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so, wie Carstairs sagte. Sie kriegte den Packen Briefe und dachte, jemand hätte sich einen Scherz erlaubt. Die andern, Mainwaring und diese Wey, dachten das übrigens auch.»
    «Warum, ist wohl klar. In den Briefen steht nämlich, daß sie ein Verhältnis haben. Was meinen Sie, haben sie eines?»
    Für Wiggins, der seinen Suppenteller zur Seite geschoben hatte und sich seine Medizin verabreichte, war das ein Problem, das zwei Hustenpastillen erforderte. Jedenfalls klebten zwei zusammen, und er schob sich beide in den Mund. «Schwer zu sagen. Sie sieht schon sehr gut aus, das muß man ihr lassen.»
    «Wie hat sie reagiert?»
    «Wie alle andern. Wußte von nichts und konnte sich auch nicht vorstellen, was die Frau in dem Wald tat und so weiter. Carstairs war auch schon dagewesen.»
    «Hat Carstairs angerufen?»
    «Nein, warum?»
    «Augusta Craigie meint, die Frau sei vielleicht auf dem Weg nach Stonington gewesen, dem Gut der Kenningtons, etwas außerhalb von Littlebourne.» Jury blickte zur Decke. «Wissen Sie, welches Zimmer ihrer Tochter gehört?» Er wußte, daß Wiggins sich in allen Räumen umgeschaut hatte, um sich die bequemste Matratze zu besorgen.
    Wiggins nickte. «Das erste rechts. Viele Volants und Stofftiere.»
    «Ich schau’s mir mal an.»
    Es war ein hübsches Zimmer mit einer schrägen Decke und knarrenden, unebenen Dielen, weißgestrichenen Möbeln und, wie Wiggins schon bemerkt hatte, einer gerüschten Bettdecke und gerüschten Kissen. Es ging auf die Grünanlage hinaus; die Flügel der kleinen Fenster oberhalb der Sitzbank waren nach außen geöffnet und behinderten die Kletterrosen, die auf der einen Seite des Hauses hochrankten. Jury schaute sich die Bücher auf dem Regal neben der Sitzbank an: unberührte Bände von Klassikern wie Middlemarch , dazwischen und dahinter abgegriffene Liebesromane. Nicht sehr raffiniert, dachte Jury, ihre Mutter hätte sie beim Saubermachen bestimmt sofort entdeckt. Aber vielleicht war die Ordnung, die hier herrschte, Katie O’Briens Werk. Jury öffnete den Schrank und sah fein säuberlich aufgehängte Kleider. Er schaute sich die Etiketten an und bemerkte, daß zwei von Laura Ashley stammten, also ziemlich teuer gewesen sein mußten. Ihre Mutter hätte viele Biere zapfen müssen, um sie zu bezahlen.
    Auf einem kleinen Schreibtisch lag ein Album, das Jury in die Hand nahm und durchblätterte. Schnappschüsse von Katie O’Brien und ihrer Familie. Ein Foto behielt er. Es zeigte ein blasses, junges Mädchen mit einem herzförmigen Gesicht, das nicht lächelte. Das dichte, schwarze Haar war aus dem Gesicht gekämmt und wahrscheinlich zu einem Knoten oder einem Zopf zusammengefaßt. Die Frisur war so altmodisch wie das Kleid, das sie trug – ein einfaches, gemustertes Baumwollkleid mit einem kleinen Spitzenkragen. Sah das kleine, hübsche Gesicht nur deshalb so kummervoll drein, weil das Haar zu schwer und der Kragen zu eng war? Jury steckte das Foto ein und klappte das Album zu.



    « Cora Binns », sagte Inspektor Carstairs . «Kurz nachdem Sie angerufen hatten, wurde sie identifiziert. Nicht von Lady Kennington – wir überprüfen das gerade –, sondern von einer Mrs. Beavers. Das ist die Hauswirtin dieser Cora Binns. Sie war wohl etwas beunruhigt, als Cora am Donnerstag nicht zurückkam. Cora Binns hatte Mrs. Beavers gesagt, daß sie in Hertfield jemanden besuchen wolle und wahrscheinlich gegen elf Uhr wieder zurück sei. Cora wohnte über den Beavers, und die Hauswirtin behält ihre Mieter anscheinend im Auge. Als Cora auch am Freitag nicht zurückkam, war ihr das wohl nicht geheuer. Vielleicht war sie aber auch nur neugierig. Sie gab eine Vermißtenanzeige auf, und eben hat mich das Morddezernat angerufen. Es scheint sich um dieselbe Person zu handeln. Aussehen, Kleidung, alles paßt. Ich dachte, Sie würden vielleicht sofort mit ihr sprechen wollen. Die Adresse –» Die Stimme wurde leiser, als Carstairs sich vom Telefon wegdrehte, um dann zu verkünden: «Catchcoach Street 22.»
    «Welcher Stadtteil ist das?» fragte Jury, während er sich die Adresse notierte.
    «Ich glaube, die Gegend um Forest Gate, einen Augenblick bitte … Ja, ich hab’s. Also.» Einen Augenblick lang herrschte Stille. «Wembley Knotts. Ein Zufall, was? Da wurde doch auch die kleine O’Brien überfallen. Komisch.»
    Als Jury den Hörer zurücklegte, hatte Sergeant Wiggins Katie O’Briens Foto in die Hand genommen und betrachtete es.
    «Hübsches Ding.»
    «Ja.