Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden
das Hotel Haworth, ob über Silvester noch ein Zimmer frei sei. Die Adresse, die sie als Absender angibt, ist, damit sie hinterher nicht ausfindig gemacht werden können, natürlich falsch. Die Bestätigung des Hotels erreicht sie jedoch trotz der falschen Adresse - wie das funktioniert, darüber haben wir ja schon gesprochen. Der nächste Schritt ist, daß Margaret ihrem ehemaligen Geliebten mitteilt, daß sie es sich anders überlegt und den Wunsch habe, Silvester mit ihm zu verbringen. Er ist Junggeselle, und er liebt sie immer noch glühend, ihr Angebot muß für ihn einer Einladung ins Paradies gleichgekommen sein, vor allem, wenn man berücksichtigt, daß er hat annehmen müssen, sie sei seiner überdrüssig geworden. Und nun scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein! Die Offerte geht von ihr aus. Sie hat die Initiative ergriffen, hat alles geregelt und sogar schon das Hotelzimmer gebucht — sie liebt ihn also noch immer. Und nur zu gern akzeptiert er auch ihr Angebot, daß sie die beiden Kostüme besorgen wird für die Silvesterparty. Sie erklärt ihm, daß er sich am 31. ab 16 Uhr bereithalten solle — sie werde sich melden. Am Tag selbst richtet sie es so ein, daß sie gegen 15 Uhr im Hotel eintrifft, dadurch vermeidet sie einerseits, die anderen Gäste zu treffen, die bereits früher angekommen sind, und hat andererseits genügend Zeit für ihre Vorbereitungen. Bevor sie sich am Empfang meldet, schlägt sie ihren Mantelkragen hoch, zieht sich ihren Schal ins Gesicht, so daß buchstäblich nur noch ihre Nasenspitze zu sehen ist; da es draußen schneit, fällt das nicht weiter auf. Sie füllt das Anmeldeformular aus, läßt sich den Zimmerschlüssel geben und geht mit ihrem Koffer hinüber zur Dependance — es ist soweit: kann kommen. Gleich neben dem Hotel gibt es eine öffentliche Telefonzelle — sie ruft ihn an, nennt ihm die Zimmernummer, und er saust los. Und während die übrigen Gäste Cluedo, Scrabble und Monopoly spielen, vergnügt er sich mit ihr im Bett. Irgendwann sind sowohl Leidenschaft als auch Manneskraft erschöpft, und sie macht ihn darauf aufmerksam, daß sie allmählich daran denken müßten, ihre Verkleidung anzulegen. Sie zeigt ihm die Kostüme, die sie mitgebracht hat, und hilft ihm, sich auszustaffieren. Kurz vor 19 Uhr sind beide fertig: Sie schmiert ihm noch schnell braune Schminke auf die Hände, dann verläßt sie unter dem Vorwand, ihren Schirm oder ihren Geldbeutel am Empfang liegengelassen zu haben, das Zimmer. Den Schlüssel nimmt sie mit. Ihr Mann Tom, im selben Kostüm wie , wartet nicht weit vom Hotel schon ungeduldig, daß sie endlich auftaucht. Und während sie sich nun einen Ort sucht, wo sie, ohne gesehen zu werden, einen Augenblick abwarten kann — es sind vermutlich die schlimmsten Minuten ihres Lebens — , öffnet er mit dem Schlüssel, den sie ihm gegeben hat, die Tür zum Zimmer Nummer drei...
Was dann genau geschah, wissen wir nicht, und vielleicht werden wir es nie erfahren. Bereits eine Dreiviertelstunde später mischen sich die Bowmans unter die Gäste und starten, um es einmal locker auszudrücken, ihre große Schau: sie turteln wie zwei Frischverliebte und geben sich den Anschein, den Abend in vollen Zügen zu genießen. Die Wahrscheinlichkeit, später von irgendeinem der anderen Gäste oder auch einem der Hotelangestellten wiedererkannt zu werden, ist gering: sie ist, vermummt durch ihren Tschador, fast nicht zu sehen, und er ist durch eine dicke Schicht Schminke so gut wie unkenntlich gemacht. Es gehört zu ihrem Plan, auf irgendeine Art dafür zu sorgen, daß es Leute gibt, die bereit sind zu bezeugen, Tom Bowman sei nach der Silvesterparty gesund und munter zur Dependance zurückgekehrt. Deshalb richtete er es so ein, den Festsaal mit Philippa Palmer und Helen Smith zusammen zu verlassen, die, wie er weiß, mit ihren Begleitern ebenfalls in der Dependance abgestiegen sind und denselben Rückweg haben wie er. Er scheint ausgelassener Stimmung gewesen zu sein, möglicherweise gehörte das aber auch mit zur Tarnung - jedenfalls geht er in der Mitte zwischen den beiden Frauen und legt ihnen den Arm um die Schulter. Wie wir wissen, konnten sich beide noch sehr gut daran erinnern, weil seine braun geschminkten Hände Flecken auf ihren hellen Mänteln hinterlassen haben. Hinter Bowman und den beiden Frauen kommen (Mr. Palmen und John Smith mit Margaret Bowman in der Mitte. John Binyon, der Hotelbesitzer, bildet das Schlußlicht. Er ist
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