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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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gehorchten mir nicht mehr und meine Arme auch nicht. Alles verschwamm, auf einmal wurde mir kalt, und ich begann zu zittern. Dann spürte ich, dass Blut aus meinem Magen troff und mein Hemd verklebte.
    Langsam hob ich den Kopf und sah, wie Tommy sich erhob und sich mit einer Hand den Staub abklopfte. In der anderen hielt er die Pistole mit Schalldämpfer. Das gestreifte Hemd, das er trug, wies große schwarze Löcher auf, aber das schien ihn nicht zu beeinträchtigen. Ich fragte mich, ob mir meine Augen einen Streich spielten.
    Als er den überraschten Ausdruck auf meinem Gesicht wahrnahm, pochte er sich lachend auf die Brust.
    »Kugelsichere Weste, Sean. Ist in unserem Beruf nie ein Fehler. Ich dachte, du wüsstest das, Seanie-Boy.«
    »Mein Bruder …«
    »Was?«
    Ich zwang mich, Atem zu holen, und keuchte. »Mein Bruder John … der bei dem Überfall auf der Highgate High Street erschossen wurde. 1995. Der Golfkriegsveteran. Der, mit dem Wolfe angegeben hat.«
    Tommy runzelte die Stirn.
    »Das war dein Bruder? Im Ernst?«
    »Wolfe hat gesagt, er hätte ihn nicht erschossen. Ich habe ihn gefragt. Kurz bevor er gestorben ist. Aber du warst auch dabei, Tommy. Wer hat geschossen?«
    »Tut mir leid, Alter«, sagte er und klang überhaupt nicht mitleidig. »Das war dann wohl ich. Der Freak ist mir einfach in die Quere gekommen.« Er ging einen Schritt auf mich zu und hob die Pistole. »Genau wie du.«
    Als ich ihn so sah, ließ ich mich wie ein Sterbender zur Seite sinken und packte mit dem letzten Rest Kraft, der mir geblieben war, den Revolver, der nur ein paar Zentimeter entfernt neben mir lag. Noch als ich ihn herumschwang und auf Tommy richtete, drückte ich den Abzug. Ich wusste nicht mehr, wie viele Kugeln ich übrig hatte, nur dass dies die letzte Chance war, meinen Bruder zu rächen, den ich seit fünfzehn Jahren so sehr vermisste, weil Tommy ihn im Rinnstein abgeknallt hatte wie ein lästiges Insekt, wo er für mich doch der wichtigste Mensch in meinem Leben gewesen war.
    Bevor ich den Abzug ganz durchgezogen hatte, hörte ich wieder das Ploppen des Sektkorkens, und dann erfüllte ein ohrenbetäubendes Krachen den Raum.

VIERUNDFÜNFZIG
    »Soweit der Mann in der Zentrale es beurteilen kann, hat sich der Wagen seit zwanzig Minuten nicht mehr bewegt«, kam Bolts Stimme über die Freisprechanlage, während Tina am Bahnhof King’s Cross vorbeiraste. »Das heißt, er muss sich irgendwo zwischen Pentonville Road, Caledonian Road, York Way und Copenhagen Street befinden.«
    »Danke, Mike.«
    »Sag mir bitte, dass du nicht allein unterwegs bist, Tina. Eigentlich solltest du jetzt deine Aussage machen über die Vorfälle in Gores Haus.«
    »Das muss warten. Ich muss diesen Wagen finden. Ich bin sicher, er gehört dem Mann, den Wise losgeschickt hat.«
    »Aber das vermutest du nur«, entgegnete Bolt, der äußerst beunruhigt klang. »Vielleicht hat er nichts damit zu tun. Vielleicht begehst du einen kapitalen Fehler.«
    »Ich brauche eine Spur«, gab sie zurück. »Und im Augenblick ist es die einzige, die ich habe.«
    »Tina, die werden dich dafür in die Pfanne hauen. Die nehmen dir deine Dienstmarke weg und basta. Du darfst nicht einfach einer Spur nachjagen, wenn du die Hauptzeugin oder sogar die Hauptverdächtige für den Mord an einem Minister bist. Du kannst doch nicht so verdammt besessen sein.«
    Tina biss sich auf die Zähne. Sie kannte die Leier. Sie wusste, dass ihr Job auf dem Spiel stand. Aber sie war einfach zu dicht dran, um von der Sache abzulassen. »Danke für deine Hilfe, Mike. Ich schulde dir was.«
    Damit legte sie auf.
    Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und versuchte, sich zu konzentrieren. Die örtliche Mordkommission würde ausflippen, wenn sie herausfanden, dass sie sich vom Tatort entfernt hatte. Deshalb hatte sie darauf verzichtet, Grier mitzunehmen. Nachdem sie die ersten Polizeistreifen und die Sanitäter eingewiesen hatte, hatte sie Grier beauftragt, die Dinge im Auge zu behalten und, falls jemand fragte, zu sagen, sie hätte etwas Dringendes zu erledigen und würde umgehend zurück sein. Grier hatte wissen wollen, was sie vorhatte, und als sie ihm die Antwort schuldig blieb, verlangte er mitzukommen und betonte sogar, dass sie ein Team seien. Doch sie hatte ihm schon genug Ärger eingebrockt, deshalb befahl sie ihm kurz angebunden als seine Vorgesetzte, sich nicht vom Fleck zu rühren.
    »Das ist vielleicht der letzte Befehl, den ich dir erteile, also sei so lieb und befolge ihn

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