Instinkt
einem Schlüsselbund, den er bei seiner Festnahme bei sich getragen hatte. Lustig, was? Da liegt das Ding in irgendeinem Regal bei den Bullen, und keiner hat’s bemerkt.«
Er lachte.
»Aber egal. Als ich mit dem Messer auf ihn losging, um auch ihn zu erledigen, still und leise, damit niemand was mitkriegte, hat er mich überrumpelt. Der Sack war gar nicht so bombensicher an den Stuhl gefesselt. Irgendwie hat er eine Hand frei bekommen, und als ich mich zu ihm runterbeugte, hat er mir eine verpasst und das Messer aus der Hand geschlagen. Einfach so. Er war so verdammt schnell, und bevor ich richtig merkte, was abging, war er schon aus dem Stuhl und hing auf mir drauf. Wenn du nicht aufgetaucht wärst, hätte er mich umgebracht.«
»Ich habe also deinen Arsch gerettet.«
»Tja«, sagte er und lächelte verlegen. »Kann man so sagen.«
»Aber die beiden hier hättest du nicht umzubringen brauchen«, sagte ich und spürte, wie die Wut in mir hochkochte.
»Ich konnte es nicht riskieren, sie gehen zu lassen. Der Junge hat mich gesehen, und die Bullen hätten bald rausgefunden, dass der Alte den Stick geklaut und die Pillen in Kents Drink gekippt hat. Er war ein Unsicherheitsfaktor.«
Ich musste schlucken. Dougie war ein aufrechter Typ, der über die Jahre eine Menge für mich getan hatte. Ich würde Tommy nicht damit durchkommen lassen.
»Wo ist der Stick?«
»Den hab ich vernichtet.«
»Ohne dir anzusehen, was drauf war? Das glaube ich dir nicht, Tommy. Ich glaube, du weißt, worum es hier geht.«
»Ich bin Profi, Sean. Ich stell keine Fragen, die mich nichts angehen. Und du solltest das auch nicht. Dann bleibst du am Leben und kannst die Früchte des Alters genießen. Ich geh jetzt hier raus, und ich rat dir nochmal, dasselbe zu tun.«
»Bleib, wo du bist!«, brüllte ich und rief mir Tommys Kaltblütigkeit ins Gedächtnis, um meine Hemmungen zu überwinden, auf ihn zu schießen und die Welt von ihm zu befreien.
Er sprang mich so schnell an, dass ich nicht reagieren konnte. Katzengleich schlug er mir den Revolver zur Seite und rammte mich gegen die Wand. Ein Schuss löste sich, der brutal laut widerhallte und als Querschläger durch den Raum sirrte.
Ich spürte einen stechenden Schmerz in meinen Rippen, aber es gelang mir, den Revolver festzuhalten und unter dem Kopfstoß wegzutauchen, mit dem er nachsetzte. Seine Stirn glitt von meiner Schulter ab, und er krachte mit einem satten Geräusch gegen die Wand. Ich nutzte meine Chance, knallte ihm eine Links-rechts-Kombination in die Nieren und entwand mich seinem Griff.
Er fasste nach, und wir drehten groteske Pirouetten, während wir verbissen miteinander rangen. Als er alles daran setzte, mir den Revolver aus der Hand zu winden und versuchte, mir das Handgelenk zu verdrehen, gelang es mir, den Fuß hinter sein Bein zu schieben. Dann riss ich ihn mit allem, was ich hatte, nach vom.
Er stolperte und verlor das Gleichgewicht, ließ mein Handgelenk los und taumelte vergeblich mit den Armen rudernd drei Schritte zurück. Entsetzen und Verzweiflung standen in seinem Gesicht, als ich den Revolver auf ihn richtete. Hinter ihm sah ich Dougies Leiche liegen, aus deren Kopf noch immer das Blut rann, während Billy regungslos in seinem Stuhl hing. Dieses Mal zögerte ich nicht.
Tommy öffnete den Mund, um ›Nein‹ zu schreien, doch falls es ihm gelang, wurde es vom Krachen des Revolvers übertönt. Drei Kugeln jagte ich ihm in den Körper, die ihn nach hinten rissen, ehe er mit verdrehten Gliedern auf Dougie stürzte und sich nicht mehr rührte.
Einige Augenblicke starrte ich benommen das blutige Schauspiel vor meinen Augen an. Zu den drei Leichen von gestern Nacht waren noch einmal drei hinzugekommen, und das alles wegen eines kurzen Films, den Andrew Kent aufgezeichnet hatte. Mir war klar, dass ich nie herausfinden würde, wer ihn so dringend haben wollte, aber das musste ich akzeptieren, wenn ich mein Leben weiterleben wollte. Im Augenblick wollte ich nur noch hier raus. Selbst am frühen Samstagmorgen war es wahrscheinlich, dass jemand die Schüsse gehört und die Polizei gerufen hatte.
Doch als ich mich umwandte und zur Tür ging, hörte ich hinter mir das Geräusch eines Reißverschlusses.
Und eine spöttische Stimme.
»Dumm gelaufen, Seanie.«
Dann durchdrangen ein paar ploppende Sektkorken das Klingeln in meinen Ohren, und plötzlich entglitt mir der Revolver. Ich wurde nach vorn geworfen, stürzte gegen die Wand und sank hilflos zu Boden. Meine Beine
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