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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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worden war, ließ den Sicherheitsbügel aufschnappen und pumpte einmal, um zu sehen, ob sie ungeladen war.
    »Alle Knarren sind total sauber, Mon«, sagte Mitchell. »Noch nie abgefeuert worden. Noch nie an jemanden rausgegangen. Ganz frische Ware. Also, kommst du jetzt mit der Kohle rüber?«
    Ich zog den Umschlag aus meiner Jeans und drückte ihn ihm in die Hand. »Fünf Riesen. Zähl’s nach.«
    Er öffnete ihn, holte das Bündel heraus und fing an zu zählen.
    In diesem Augenblick ging die hintere Tür wieder auf, und herein kam der größte Alptraum, den ein Undercover-Cop erleben kann.

SIEBEN
    Weyman Grimes trug eine schlecht sitzende Kochlatzhose und schleppte einen Sack Zwiebeln herein, den er auf einer der Arbeitsflächen ablud. Sein Pferdegesicht hatte noch den gleichen übellaunigen Ausdruck wie damals.
    Vor fünf Jahren war er ein mittelgroßer Crack-Dealer, der einen Apartmentkomplex in Dalston belieferte, wo ich eines Tages als Kunde auftauchte und jede Menge Scheine sehen ließ. Daraufhin nahm ich ihn gemeinsam mit einem Dutzend Kollegen hoch, wir fanden fünfzig Tütchen mit Wurmmittel gestreckten Cracks bei ihm. Während meine Kollegen alle maskiert aufgetreten waren, hatte ich mein Gesicht gezeigt. Ich war es auch, der ihm seine Rechte vorgelesen hatte. Ich war es, der ihn erwischt hatte, als er abzuhauen versuchte und ihn frontal gegen die Wand geknallt hatte. Ich war es, den er mit einer erfolglosen Klage wegen Polizeibrutalität anscheißen wollte, und schließlich und endlich war es auch ich, der vor Gericht gegen ihn ausgesagt und zufrieden gegrinst hatte, als er abgeführt worden war, um seine eben verkündete vierjährige Haftstrafe wegen des Handels mit illegalen Substanzen anzutreten.
    Eine Welle kalten Entsetzens überschwemmte mich, packte mein Herz und drohte mir den Boden unter den Füßen wegzureißen. Doch zum Glück bin ich von Natur aus ziemlich schnell im Kopf; instinktiv zog ich ein Päckchen Zigaretten aus meiner Hemdtasche, ignorierte meine Nur-nach-dem-Essen-Regel und steckte mir eine zwischen die Lippen. Der kleine Verstoß konnte mir immerhin das Leben retten.
    Dabei senkte ich den Kopf, verbarg mein Gesicht mit der Hand und bekämpfte den Drang, einfach loszulaufen.
    Mitchell ließ sich beim Zählen alle Zeit der Welt, blätterte jeden Schein einzeln um, und ich konnte nicht ewig wie eingefroren stehen bleiben, ohne verdächtig zu wirken. Deshalb zündete ich die Zigarette schließlich an und inhalierte tief. Dabei wandte ich den Kopf ein wenig, um zu verhindern, dass Grimes mein Gesicht sah. In Gedanken versuchte ich Mitchell zu zwingen, schneller zu zählen, damit ich endlich aus diesem stickigen Laden rauskam.
    Schließlich war er fertig und grinste mich an. »Passt, Mon. War nett, mit dir Geschäfte zu machen.«
    Ich nickte nur kurz, weil ich vermeiden wollte, dass meine Stimme mich verriet. Aber aus dem Augenwinkel bemerkte ich schon, wie Grimes sich umdrehte und mich ansah. Anstarrte. Ich wollte nicht abwarten, bis in seinen Augen das Erkennen aufleuchtete, deshalb bückte ich mich schnell und wandte mich zur Tür, wobei ich versuchte, mein Gesicht so gut es ging vor ihm zu verbergen.
    In fünf Sekunden würde ich auf der Straße und außer Gefahr sein. Aber ich hatte kaum zwei Schritte gemacht, als Grimes’ mir plötzlich wieder allzu vertrauter weinerlicher Singsang die Stille durchbrach und die Worte ausstieß, die ich so gefürchtet hatte:
    »He, dich kenn ich doch! Hey, Mitch! Den Wichser kenn ich, das ist’n Bulle!«
    Der junge Kerl an der Tür reagierte sofort. Ich sah, wie sein Arm, der, den er hinter dem Rücken verborgen hielt, zuckte.
    Ich zögerte, war einen Moment unsicher, ob ich einfach weitergehen oder mich umdrehen und Zoff machen sollte.
    Mitch nahm mir die Entscheidung ab, er gab einen kurzen Befehl, und der Kiddie an der Tür förderte eine Pistole zu Tage, die zu groß für seine Hand wirkte, und zielte damit direkt auf meinen Kopf. Dabei machte er ein paar Schritte auf mich zu, bis die Mündung keinen Meter mehr von meiner Stirn entfernt war.
    Im selben Moment hörte der fette Bursche in der Schürze mit dem Hacken auf, drehte sich langsam um und hob das blutverschmierte Beil.
    Ich wandte mich an Grimes. »Was redest du da für eine Scheiße. Ich habe dich noch nie gesehen. Geh dein Gemüse schnippeln und steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen.« Ich klang selbstsicher und genauso wütend, wie ich klingen musste, wenn ich

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