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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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Um seine Lippen lag ein zufriedenes Lächeln, das fast schon irritierend wirkte. Er trug Jeans und ein weit geschnittenes rotes Unterhemd, auf dem der Name der Imbissbude zu lesen war. »Wer schickt dich, Mon?«, fragte er mit einem weichen jamaikanischen Akzent.
    »Tyrone Wolfe«, sagte ich selbstsicher. »Und du bist Mitchell?« Ich wusste, dass er es war. Er mochte zwar stoned sein, strahlte aber eine unverkennbare Autorität aus, die ich gelernt hatte, schon von weitem zu erkennen.
    »Bin ich«, entgegnete er gelangweilt, »und du kommst besser rein, Mon.«
    Als ich eintrat, ließ er die Tür los, die mit lautem Klicken ins Schloss fiel und mich von der Welt draußen trennte.
    Er geleitete mich durch einen schmalen Flur in eine höhlenartige Küche, die zwar hoch war, aber keine Fenster hatte, und ging zu einem Tisch, der flankiert von zwei Stühlen mitten im Raum stand. Er nahm einen halbgerauchten Joint aus dem Aschenbecher und nahm einen tiefen Zug.
    »Also, Sean, hast du mein Geld?«
    Wenn ich direkt Ja sagte, konnte er versucht sein, mich abzuziehen, statt den Deal zu machen. Kriminelle haben manchmal merkwürdige Ideen, besonders die angeblich Verlässlichen. Wenn ich dagegen Nein sagte, konnte er sagen, ich solle mich verpissen. Meiner Erfahrung nach liefen diese Verhandlungen nie einfach und glatt ab. Am Ende fand ich eine Art Kompromiss. »Klar«, sagte ich so beiläufig, als hätte er mich gefragt, ob mir die Wandfarbe gefalle. »Aber hast du, was ich bestellt habe?«
    »Warum kommen Wolfe und Haddock nicht selbst vorbei? Glauben wohl inzwischen, sie sind was Besseres und nicht so’n einfacher Bursche wie ich?«
    »Haben einfach keine Zeit heute«, sagte ich und nahm eine Bewegung hinter mir wahr. Als ich mich umdrehte, sah ich einen weiteren Schwarzen, vielleicht zwanzig, an der Küchentür lehnen und den Ausgang blockieren. Er trug einen grellbunten Trainingsanzug und ein Basecap der New York Yankees. Dazu Ray Bans, obwohl es hier drin praktisch stockdunkel war. Außerdem hielt er die rechte Hand hinter dem Rücken versteckt – immer ein schlechtes Zeichen. Ich versuchte möglichst unbeeindruckt zu wirken und wandte mich wieder an Mitchell. »Jedenfalls hab ich’s eilig, Mann, deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du die Klamotten holen würdest.«
    Mitchell nickte gemächlich und rief in schnellem Jamaika-Patois etwas nach hinten, wobei er seine blutunterlaufenen Augen keine Sekunde von mir nahm.
    »Wie lange arbeitest du schon für Wolfe, Mon?«
    »Ich arbeite für niemanden, nur mit.«
    »Okay, wie lange also – mit?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ein paar Monate. Wen interessiert’s?«
    »Ich weiß gern, mit wem ich es zu tun habe.«
    »Mit jemandem, der ein paar Kanonen kaufen und wieder verduften will.«
    Ein paar Augenblicke lang funkelten wir uns feindselig an. Die Luft wurde von Sekunde zu Sekunde dicker. Ich hörte mein Herz klopfen und den Typen hinter mir mit den Füßen scharren. Ich war fast hundert Pro sicher, dass er hinter dem Rücken eine Pistole verbarg. Ein Schweißtropfen rann mir über die Stirn, und mir wurde schlagartig klar, wie verwundbar ich hier drinnen war.
    Dann ging am anderen Ende der Küche eine Tür auf, und ein riesiger Typ in Kochmontur und mit einer schmutzigen Schürze kam herein. Über die Schulter hatte er eine gewaltige Lammkeule geschwungen, und in der anderen Hand trug er eine Adidas-Sporttasche. Er ließ die Tasche zwischen Mitchell und mir auf den Tisch fallen, warf das Lamm auf eine der Arbeitsflächen, nahm ein furchterregend aussehendes Hackebeil aus einem Halter und begann, die Keule in Stücke zu hauen.
    »Da sind deine Knarren, Mon. Alles deins.«
    Ich zog den Reißverschluss auf und inspizierte die Artillerie: zwei kompakte halbautomatische Remingtons und eine schwarze Sig P226. Ich stöberte ein wenig herum und entdeckte eine Schachtel Schrotpatronen und eine mit 9mm-Munition. Beide waren, wie die Waffen auch, noch original verpackt. Alles wirkte nagelneu. Großbritannien hat zwar eines der strengsten Waffengesetze der Welt, und wir haben auch erfolgreich ein paar Importringe zerschlagen, aber trotzdem war dieses Material allerfeinster Güte.
    Ich nahm eine der Remingtons heraus und bewunderte sie. Es war eine schwarze 870er, eine leichte Waffe mit 18-Zoll-Lauf, die von amerikanischen Polizisten und Gangstern gleichermaßen geschätzt wird, weil sie handlich, einfach zu benutzen und tödlich ist. Ich kannte sie gut, weil ich daran ausgebildet

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