Instinkt
ich durch den Rauch nach unten blickte, sah ich, warum.
Die Schweine hatten seine Füße ans Bodenblech genagelt.
Das ganze Treffen war eine Falle gewesen. Slade hatte längst gewusst, dass wir Polizisten waren, und uns auf seine Art eine Lektion erteilt.
Wir hatten nichts gegen ihn in der Hand.
Er hatte nichts Inkriminierendes gesagt, und wir hatten nicht den geringsten Beweis, dass er etwas mit der Attacke auf Boyle zu tun hatte. Im Gegenteil, wie alle ausgekochten Gangster konnte er sogar ein Alibi vorweisen, immerhin hatte er sich zum Zeitpunkt der Tat in Gesellschaft von zwei Undercover-Cops befunden.
Slade blieb zwar noch eine Weile auf dem Schirm der NCS, aber die Informationen über ihn trockneten allmählich aus. Niemand wagte mehr zu reden, und eine Undercover-Operation einzuleiten, erschien viel zu gefährlich. Am Ende hatte es Jason Slade zur unangreifbaren Figur der Essexer Unterwelt gebracht.
Als Polizist muss man sich mit dem Gedanken abfinden, dass auf jeden Erfolg mindestens ein Fehlschlag kommt, meistens sogar mehr als einer. Wenn man einen mitbekommt, darf man das nicht persönlich nehmen, sondern muss die neue Aufgabe angehen und auf mehr Glück hoffen. Genau das tat ich. Das Erlebte hatte mich zwar schwer erschüttert, aber nicht so schwer, dass ich meinen Job nicht mehr hätte ausüben können.
Doch dann, kein Jahr später, las ich über den tragischen Fall eines Vaters, der leblos neben seiner ebenfalls toten sechsjährigen Tochter in seinem Wagen im Epping Forest aufgefunden worden war. Tony Boyles Gesichtsverletzungen waren so schlimm gewesen, dass seine Frau die Scheidung eingereicht hatte, nicht zuletzt, weil sich seine kleine Tochter vor dem Anblick fürchtete. Das hatte er nicht verkraftet und daher beschlossen, mit seinem einzigen Kind in den Tod zu gehen.
Eine unbeschreibliche Wut überkam mich. Eine Wut, die ich bis dahin nur ein Mal gefühlt hatte: als ich erfahren musste, dass Wolfe meinen Bruder ermordet hatte. Damals waren seit Johns Tod nur wenige Jahre vergangen, und die Wunde war noch nicht vernarbt. Jason Slade brachte mir wieder die ganze Ungerechtigkeit der Welt zu Bewusstsein. So wie ich es sah, war er direkt für den Tod von Boyle und seiner Tochter verantwortlich. Er lief frei herum, und niemand konnte ihm etwas anhaben.
Doch Slade hatte eine Schwäche. Obwohl er mit einer Lebensgefährtin zusammenlebte, hatte er zusätzlich eine Geliebte. Er besuchte sie meist an den Mittwochabenden, nachdem er mit seinen Kumpeln um die Häuser gezogen war. Wir wussten bereits über sie Bescheid, als wir die Undercover-Operation planten, hatten damals sogar zeitweise ihre Wohnung verwanzt, allerdings ohne Erfolg.
Eigentlich war es dumm von Slade, einer so offensichtlichen Gewohnheit anzuhängen, zumal er bei seiner Geliebten stets ganz allein erschien. Doch das kam meinen Absichten entgegen, denn eines Mittwochabends wartete ich in der Zufahrt des Apartmentblocks seiner Geliebten auf ihn.
Die Geschichte hatte wochenlang in mir gebrodelt, denn mir war klar, dass ich hier eine Linie zu überschreiten drohte, doch dieses eine Mal ließ ich mich von Wut und Zorn leiten.
Und wie auf Bestellung erschien um halb eins in dieser lauen Sommernacht Slades Jaguar in der Einfahrt. Er wirkte beim Aussteigen einigermaßen angeschlagen, denn er torkelte leicht, als er zu seiner Haustür ging und in der Tasche nach den Schlüsseln kramte. Ich hatte mir eine Skimaske über den Kopf gezogen, löste mich aus dem Schatten und sprang ihn an, während das Bild des verätzten Tony Boyle vor meinen Augen waberte.
Er sah mich im letzten Augenblick kommen, aber zu spät, um noch auszuweichen. Ich hatte mir jeweils drei Zwei-Pfund-Münzen zwischen die Finger geklemmt, umschloss sie so fest ich konnte, und mit diesem improvisierten Schlagring ließ ich einen Hagel von Links-rechts-Kombinationen auf ihn niedergehen. Unter meinen Schlägen platzte ihm an einigen Stellen die Haut, und mit einem sauberen Cross schickte ich ihn auf die Motorhaube seines Jaguars. Reines, ja reinigendes Glück durchflutete mich.
Ehe er sich aufrichten konnte, war ich wieder über ihm und verpasste ihm blindlings weitere Schläge gegen Kopf und Körper, bis er – ich ließ ihm keine Chance – am Boden lag. Wie ich hatte er in seiner Jugend als Amateur geboxt, und möglicherweise war er zudem bewaffnet, deshalb wollte ich ihn möglichst schnell kampfunfähig machen. Er blutete bereits aus mehreren Wunden, und selbst in der
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