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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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ich oben eingesperrt gewesen war, hatte ich sie doch noch gehabt – glaubte ich wenigstens. Da war so schnell so viel passiert, dass die Uhrzeit meine geringste Sorge gewesen war. Jetzt hatte ich ein echtes Problem. Das gesamte Beweismaterial, das ich gegen Wolfe und Haddock gesammelt hatte, war auf dem Abhörchip gespeichert. Und ohne den Chip hatte ich nichts in der Hand. Wolfe und seine Crew waren zwar tot, aber damit hatte ich auch nichts mehr, um meine Version der Ereignisse zu untermauern. Vor allem konnte ich nicht beweisen, dass ich keine andere Wahl gehabt hatte, als mich an der Entführung von Andrew Kent zu beteiligen. Mit anderen Worten, nach Lage der Dinge war ich nichts als ein Verbrecher, der an einer Entführung beteiligt gewesen war, bei der ein Polizeibeamter angeschossen und möglicherweise sogar getötet wurde.
    Ich atmete hörbar aus. Ich musste hier so schnell wie möglich verschwinden. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Leichen gefunden wurden, und dann würde das ganze Gebiet zum Tatort eines Kapitalverbrechens erklärt werden. Zwar hatte der Brand wohl alle Indizien, die auf meine Beteiligung hinweisen konnten, vernichtet, aber unglücklicherweise war außer mir noch jemand am Leben: der Mann, der versucht hatte, mich umzubringen und wahrscheinlich auch das Feuer gelegt hatte. Und vielleicht wusste er, wer ich war.
    Außerdem warf das eine beunruhigende Frage auf. Wenn niemand seine Identität kannte – und ich war mir ziemlich sicher, dass niemand sie kannte –, warum mussten wir dann alle sterben? Es wäre doch genauso einfach gewesen, am ursprünglichen Plan festzuhalten: uns Kent zum Haus bringen zu lassen. Dort hätte er auch das restliche Geld für uns deponieren können und nur abzuwarten brauchen, bis wir weg waren. Dann hätte er mit Kent machen können, was er wollte. Doch er hatte anders gehandelt, und ich wollte wissen, warum.
    Ohne Uhr war es schwierig, die Zeit zu bestimmen, aber der Himmel über mir war immer noch rabenschwarz; vermutlich war es etwa zwei oder drei Uhr morgens. Ich holte tief Luft und marschierte los.
    Ich wagte es nicht, zurückzugehen und den Weg zur Straße zu nehmen. Das wäre viel zu gefährlich gewesen, da ich damit rechnen musste, dass weitere Fahrzeuge eintrafen. Deshalb bewegte ich mich in die entgegengesetzte Richtung, durchquerte mehrere Felder und Waldstücke, ehe ich an eine kurvenreiche, baumgesäumte Landstraße kam. Ich musste ein paar Minuten Pause machen, um wieder zu Atem zu kommen, und wandte mich dann nach links, in der Hoffnung, so viel Distanz wie möglich zwischen mich und das Feuer zu bringen. Ich ging schnell, denn wenn mich ein vorbeifahrender Streifenwagen in meinem jetzigen Zustand erfasste, wäre ich erledigt: Ich war von Kopf bis Fuß rußverschmiert, meine Kleider waren zerrissen, und wahrscheinlich sah ich mittlerweile wie der wandelnde Tod aus.
    Ich war vielleicht einen halben Kilometer marschiert und fürchtete schon, nicht mehr lange durchzuhalten, als zur Rechten eine Zufahrt sichtbar wurde. Sie führte zu einem hässlichen Sechziger-Jahre-Bungalow mit einem Rasenstück als Vorgarten, vor dem zwei Autos parkten. Eine BMW-Limousine, die entweder neu oder frisch geputzt war, und ein Ford Fiesta. Letzterer war wahrscheinlich um einiges einfacher zu stehlen.
    Ich schlich mich die Einfahrt hinauf, verließ bei der ersten Gelegenheit den Kiesweg und bewegte mich auf dem Rasen weiter, um keine verräterischen Geräusche zu verursachen. Ich war etwa fünf Meter von den Wagen entfernt, als ein Bewegungsmelder einen Scheinwerfer aktivierte. Ich duckte mich hinter einem Apfelbaum und wartete ab. Die Vorhänge bewegten sich nicht. Ich nahm an, dass das Licht häufig durch herumstreunende Tiere eingeschaltet wurde und sich die Bewohner davon nicht in ihrem Schlaf stören ließen. Als ich den Fiesta erreichte, brannte das Licht immer noch, so dass ich hineinsehen konnte. Meine Hoffnung, eine Kiste mit den nötigen Werkzeugen zu finden, wurde enttäuscht. Der Fiesta war natürlich leer.
    Ich zog die Schuhe aus und schlich über den Kies zum Haus, wo ich eine Wassertonne entdeckt hatte, die mit einer Regenrinne verbunden war. Ich hatte solchen Durst, dass ich mich beherrschen musste, den Deckel nicht abzureißen und wegzuwerfen. Stattdessen hob ich ihn vorsichtig ab, legte ihn auf den Boden und schöpfte so leise wie möglich Wasser mit den Händen. Gierig trank ich.
    Als ich meinen Durst gestillt hatte, legte ich den Deckel

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