Intelligenzquotient 10000
Und damit war Vinces Geschick besiegelt.
Ohne ein weiteres Wort stopfte er ihm den Knebel wieder in den Mund, wickelte ihn in eine Decke und schleppte ihn in den Wagen, den er direkt vor die Haustür gefahren hatte. Dann raste er mit ihm zum Landhaus eines Bekannten, der zur Zeit verreist war, und warf den gefesselten und geknebelten Vince in das Schwimmbecken hinter der Villa.
Erst als Gloge im Wagen zurück war, dachte er grauenerfüllt: Mein Gott! Was habe ich getan! Aber er kehrte nicht zurück, um sein Opfer doch noch zu retten. Er hatte getan, was getan werden mußte.
Und jetzt war das Mädchen an der Reihe. Von einer Telefonzelle aus rief er bei ihr an. Als sie sich nicht meldete, versuchte er es bei der Hausverwalterin, die ihm erklärte, daß Miß Ellington ausgegangen sei. »Ein Mr. Hammond hat sie auch bereits gesucht«, erklärte sie ungefragt. »Er war sogar persönlich hier.«
Gloge hing auf. Er war plötzlich wie erstarrt vor Angst. Hammond also, dachte er. Etwas in ihm drängte ihn dazu, sofort zu dem Schwimmbecken zurückzukehren, dem Toten die Fesseln abzunehmen und sich seiner zu entledigen – was er ursprünglich erst bei Dunkelheit zu tun beabsichtigt hatte. Andererseits hatte er das zwingende Gefühl, daß er sofort in sein Büro zurück mußte, um den Rest des Serums aus dem Safe zu holen. Und plötzlich schien ihm das letztere wichtiger.
Um neunzehn Uhr zehn sperrte Gloge die Schreibtischlade auf, in der sich der Schlüssel zum Safe befand.
»Guten Abend, Dr. Gloge«, sagte plötzlich eine Frauenstimme hinter ihm.
Einen Augenblick war Gloge unfähig, auch nur einen Muskel zu bewegen. Doch dann wurde ihm sein unvorstellbares Glück bewußt. Die zweite Person, die er töten mußte, war ausgerechnet hierher gekommen, wo er sich ihrer am besten entledigen konnte. Er drehte sich langsam um.
Barbara Ellington stand an der offenen Tür zur anschließenden Bibliothek und beobachtete ihn wachsam und mit ernstem Gesicht.
Gloge wußte jetzt und die ganze Zeit danach, daß es Barbara war, aber in diesem Augenblick ging eine neutrale Justierung in ihm vor, und sein Unterbewußtsein versicherte ihm, die Frau vor ihm sei seine tote Schwester – nur war sie eben nicht mehr tot. Sie lebte in der Person Barbaras.
Die beiden wechselten einen verständnisvollen Blick. Gloge wurde es klar, daß es eine Sünde gegen die Wissenschaft wäre, dieses so positive Versuchsobjekt zu töten. Er hatte das überzeugende Gefühl, daß es ohnehin auf seiner Seite war und ihn unterstützen würde. »Hat irgend jemand Sie hereinkommen sehen?« fragte er.
»Nein.« Barbara lächelte.
Gloge musterte sie. Er sah ihre selbstbewußte, wachsame Haltung, die ungeheure Kraft, die sie ausstrahlte, und die übermenschliche Intelligenz in ihren Augen. Etwas wie sie hat die Erde noch nie hervorgebracht, dachte er.
»Sie haben sich bei uns auf ein ziemliches Risiko eingelassen, nicht wahr?« fragte Barbara plötzlich.
Die Worte, die ihm über die Lippen glitten, überraschten Dr. Gloge selbst. »Ich mußte es tun!«
»Ja, ich weiß«, sagte sie und trat nun ganz in das Büro. Ein kalter Schauder überlief Gloge, aber sie schritt an ihm vorbei und setzte sich in einen Sessel. »Sie müssen mir jetzt sofort die dritte Spritze geben«, befahl sie ihm. »Ich sehe Ihnen dabei zu. Dann nehme ich die Injektionspistole mit Serum zu Vince. Er …« Sie hielt abrupt inne, doch ihre blauen Augen blieben unbewegt. »Sie haben ihn also ertränkt!« murmelte sie. Nachdenklich fügte sie hinzu. »Aber er ist nicht tot. Ich fühle es. Also, die dritte Spritze!«
»Es ist ratsam, damit bis zum Morgen zu warten«, sagte Gloge heiser. »Die Chancen für eine positive Weiterentwicklung würden dadurch gesteigert. Und Sie müssen hierbleiben! Niemand sollte Sie so sehen, wie Sie jetzt sind. Ich muß Tests vornehmen – und Sie müssen mir sagen, wie …«
Er hielt inne, weil ihm bewußt wurde, daß er stammelte. Barbaras Blick hing immer noch unbewegt an ihm. Doch genau wie es ihn nicht gestört hatte, daß sie über Vinces Geschick Bescheid wußte, störte es ihn nicht, daß sie ihn so ansah. Er wußte irgendwie, daß sie ihm sein Benehmen nicht übelnahm.
Völlig ruhig sagte sie. »Dr. Gloge, es gibt vieles, das Sie nicht verstehen. Ich kann das Serum jetzt selbst assimilieren. Also geben Sie mir die Spritze – und das Serum! Sofort!«
Ohne daß er sich dessen bewußt war, streckte er ihr die Injektionspistole entgegen. »Sie hat nur
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