Intelligenzquotient 10000
Injektion eine ähnliche Wirkung wie die erste hat, dachte sie.
Als Helen Hammond von Barbaras Krankmeldung berichtete, sagte er: »Dann hat Gloge ihr vermutlich die zweite Spritze gegeben. Sie hat also das ganze Wochenende, um krank zu sein. Gib mir Bescheid, wenn sie wieder zur Arbeit kommt.«
Barbara schlief. Als sie erwachte, zeigte ihr Wecker zwölf nach sieben an. Die Sonne schien. Das stellte sie auf sensationelle Weise fest. Die Vorhänge waren zugezogen, deshalb ging sie hinaus und sah nach – ohne sich vom Bett zu erheben!
Sie lag in ihren Kissen und war doch gleichzeitig draußen auf der Straße!
Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Langsam schwand das Bild der Straßenszene, und sie war wieder ganz im Zimmer.
Durch vorsichtiges Experimentieren stellte sie fest, daß ihre Wahrnehmung etwa hundert Meter weit reichte. Und zwar fungierte etwas in ihrem Gehirn als drittes, unsichtbares Auge, das sich quasi ausstrecken ließ und jede Materie durchdringen konnte. Jetzt fiel ihr auch auf, daß ein kleiner schwarzer Lieferwagen auf der Straße geparkt war und Dr. Gloge darin saß. Er hatte Kopfhörer auf und hörte ein Gerät ab, das in ihrem Zimmer versteckt war. Sie spürte die fanatische Entschlossenheit dieses kleinen, kahlköpfigen Wissenschaftlers und fühlte sich plötzlich ein wenig beunruhigt. Die Mitleidlosigkeit und Verbissenheit dieses Gelehrten waren so ganz anders als ihre erfreute Bereitschaft, bei diesem Experiment mitzumachen. Für Dr. Gloge, das erkannte sie plötzlich ganz deutlich, waren sie und Vince nicht mehr als Versuchskaninchen, die er bedenkenlos opfern würde.
Noch während sie über diese unvorstellbaren Unmenschlichkeit nachdachte, fuhr Gloge ab. Da Vince jetzt noch Nachtschicht hatte, fuhr der Biologe vermutlich nach Hause. Aber sie wollte sich vergewissern. Erst wählte sie Vinces Nummer, und als sich niemand meldete, genau wie sie erwartet hatte, rief sie im Labor an, erfuhr jedoch, daß Strather überhaupt nicht zur Arbeit gekommen war.
Barbara legte bedrückt den Hörer auf. Vince hatte nicht sehr gut auf die erste Spritze angesprochen. Sie vermutete stark, daß Gloge ihm inzwischen die zweite gegeben hatte und es ihm deshalb jetzt vielleicht sogar noch schlechter ging.
Eilig zog sie sich an und fuhr zu ihm. Schon von draußen sah sie, wie er sich auf der Couch im Wohnzimmer herumwarf. Er öffnete auf ihr wiederholtes Läuten nicht, also benutzte sie den Schlüssel, den er ihr gegeben hatte. Sie rannte zu ihm und legte die Hand auf seine Stirn. Er hatte zweifellos Fieber. Er mußte jedoch ihre Berührung gespürt haben, denn er blickte mit seinen braunen Augen stumpf in ihre strahlend blauen. Unglücklich dachte sie: Ich fühle mich so wohl, und er ist so krank. Was stimmt da nicht?
»Ich rufe sofort einen Arzt.« Noch ehe sie zum Telefon griff, spürte sie etwas in ihrer Lunge. Überrascht dachte sie: Gas! Aber es war bereits zu spät.
Sie mußte offenbar das Bewußtsein verloren haben, denn als nächstes sah sie mit ihrem unsichtbaren Auge, daß sie auf dem Boden lag und Gloge sich über sie beugte. »Sie kommt schon wieder in Ordnung«, hörte sie seine Gedanken.
Von ihr trat er zu Vince. »Hmmm«, murmelte er. »Sieht nicht sehr gut aus. Versuchen wir einmal ein Beruhigungsmittel.« Er gab Vince eine Spritze. Dabei dachte er: Montag ist die dritte Injektion fällig. Bis dahin muß ich eine Entscheidung getroffen haben. Obwohl er den Gedanken nicht klar als solchen dachte, verstand sie genau, daß er beabsichtigte, sie beide zu töten, wenn auch nur bei einem von ihnen beiden die Entwicklung nicht nach seiner Vorstellung verlief.
Verstört verhielt Barbara sich völlig ruhig. Und in diesem Augenblick vollzog sich ein neuer Wachstumsprozeß in ihr. Es begann mit einer Flut von unterdrückten Informationen, die plötzlich an die Oberfläche ihres Bewußtseins strömten. Sie erkannte die Menschen als das, was sie wirklich waren, sah ihre guten und schlechten Eigenschaften und wußte, daß sie von jetzt ab jeden sofort einschätzen konnte.
Dr. Gloge war inzwischen so leise verschwunden, wie er gekommen war. Barbara versuchte aufzustehen, aber sie konnte nicht einmal die Augen öffnen. Da wurde ihr erst klar, daß ihr Körper immer noch von dem Gas betäubt und nur ihr Geist aktiv war. Zuerst fand sie es großartig, doch nach einer Weile wurde sie unruhig. Im Grund genommen bin ich doch ziemlich hilflos, dachte sie.
Erst am Nachmittag konnte sie sich wieder
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