Internat Lindenberg - Achtung, es spukt
Zimmer zu verlassen.
Hanna und Leonie sahen die zwei Mädchen auf sich zukommen. Wenn das Gespenst heute umging und wenn es hinter Angelika oder irgendwelchen anderen jüngeren Schülerinnen her war, dann musste es jetzt auftauchen. Das war die Gelegenheit! Aber Hanna und Leonie lauschten in die Dunkelheit und hörten nichts Verdächtiges. Die einzigen Schritte, die sie hörten, stammten von Angelika und Jennifer.
Plötzlich sprang der schwere Eichenschrank auf, der in der Mitte des Gangs an der Wand stand. Trotz seines imposanten Aussehens diente er nur dazu, Putzmittel aufzubewahren. Eine weiß gewandete Gestalt sprang heraus, die sie nur von hinten sehen konnten. Sie sprang Angelika und Jennifer direkt vor die Füße. Es war unglaublich, aber das Gespenst musste sich bereits vor ihnen auf die Lauer gelegt haben. Es hatte aber offenbar von ihnen nichts mitbekommen.
Angelika und Jennifer rissen den Mund auf, sie brachten aber keinen Pieps heraus.
Hanna wollte sich dazwischenstürzen, aber Leonie hielt sie zurück. Sie wartete noch auf eine gute Kameraposition. Was sie jetzt am allerwenigsten brauchen konnte, war, dass Hanna ins Bild rannte. Dann war es so weit: jetzt oder nie!
„So, Herr Radtke, hier ist das Vögelchen!“, rief sie triumphierend.
Das Gespenst drehte sich verdattert um. Leonies ultrastarkes Blitzlicht zündete und die weiße Gestalt wurde geblendet und erstarrte für Sekundenbruchteile. Kaum war der Blitz erloschen, raste das Gespenst wie von der Tarantel gestochen davon und rannte dabei um ein Haar Sophie und Nina über den Haufen, die aus ihrem Zimmer gestürmt kamen.
Nina und Sophie starrten sich verblüfft an. Trotz der dicken, weißen Schminke hatten sie das Gesicht sofort erkannt. Es war nicht das ihres Verdächtigen!
Nur Sekunden später hörten sie, wie jemand die Treppe vom Dachboden herab gerast kam. Der Hausmeister rannte auf die Mädchen zu und fragte außer Atem: „Was ist hier los? Schon wieder so ein bescheuerter Gespensterauftritt?“
Leonie starrte ihn ratlos an und tauschte noch einen Blick mit ihren Freundinnen. Sie hielt ihnen ihre Kamera hin. Eigentlich wussten sie alle schon, wer die Gestalt im Blitzlicht gewesen war. Ein Blick auf das Display nahm ihnen die letzten Zweifel.
„Was ist da drauf?“, wollte der Hausmeister wissen und griff nach der Kamera. „Her damit!“ Er warf einen Blick auf das gestochen scharfe Bild und bekam einen wahren Lachanfall, genau in dem Augenblick, in dem fast gleichzeitig die restlichen Bewohnerinnen des Stockwerks und Frau Behrens eintrafen. Der Lärm hatte sie geweckt.
Angelika dagegen war seit dem Erscheinen des Gespenstes in eine Art Angststarre verfallen. Erst jetzt taute sie plötzlich wieder auf, und obwohl Jennifer bibbernd neben ihr stand und ihre Freundin Nadine inzwischen ebenfalls aufgetaucht war, fiel sie ausgerechnet Leonie heulend um den Hals. Leonie wusste gar nicht, wie ihr geschah. Angelika heulte und schluchzte und klammerte sich an sie und schien gar nicht mehr damit aufhören zu wollen.
„Der Typ ist einfach der Hammer, das hab ich gleich geahnt“, rief der Hausmeister und schüttelte sich vor Lachen. „Das hab ich ihm am Scheitel angesehen, ob ihr es glaubt oder nicht. Da, Frau Behrens, das müssen sie sich ansehen!“ Er überreichte ihr Leonies Kamera. Sie allerdings fand das überhaupt nicht zum Lachen, was sie auf dem Display entdeckte. Im Gegenteil, sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht.
„Der Jacobs, das darf doch einfach nicht wahr sein“, seufzte sie und musste sich an Herrn Radtke festhalten, um nicht umzukippen. „Ein Mitglied des Lehrerkollegiums macht auf Gespenst und terrorisiert Schülerinne n – das gibt den Skandal des Jahrhundert s … Das ist eine Katastrophe für den Ruf unserer Anstal t … Das is t …“
„Das ist kein Problem“, unterbrach sie Herr Radtke. „Sie müssen die Geschichte ja nicht in das Schuljahrbuch aufnehmen. Warum wollen Sie das an die große Glocke hängen? Das kann doch genauso gut unter uns bleiben.“
Ein leiser Hoffnungsschimmer huschte über das Gesicht von Frau Behrens. Er erlosch allerdings sofort wieder, denn Direktor Senftenberg drängte sich im Morgenmantel durch die Umstehenden nach vorne. Frau Behrens wusste, wenn Senftenberg erst einmal von der Sache wusste, gab es keine Hoffnung mehr. In solchen Dingen war der Direktor so korrekt, dass er umgehend einen mehrseitigen Bericht an alle Eltern und die Schulaufsichtsbehörde verschicken würde.
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