Intimer Betrug
dass sie nicht die eine Woche für sich haben kann, nach der sie verlangt.«
Der tadellos gepflegte Garten vor dem Fenster, an dem er stand, blieb von ihm unbeachtet. Vincent sah ihn zwar, nahm jedoch nichts von den prachtvollen Frühlingsblumen wahr, die bald in Blüte stehen würden. Auch die beiden Eichhörnchen, die einander hinterherjagten und von Baum zu Baum huschten, fielen ihm nicht auf. Er sah nichts als Graces blasses Gesicht, die dunklen Ringe unter ihren Augen, die Verzweiflung, mit der sie ihn ansah. Sie sollte inzwischen wissen, ob sie guter Hoffnung war oder nicht. Und wenn es so war, konnte er sie das nicht allein durchstehen lassen.
Er drehte sich um. »Ich bitte Sie noch einmal, mir zu verraten, wo sie ist.«
»Es tut mir leid. Wie ich Ihnen bereits sagte, kann nichts so wichtig sein, dass Sie sie damit behelligen müssen. Sie werden einfach warten müssen, bis sie in einer Woche zurückkommt.«
Er ließ das Kinn auf die Brust sinken und seufzte tief. Er war nicht gerade erpicht darauf, Lady Wedgewood über seinen Verdacht zu informieren. Ihm war klar, dass Grace ihr nichts von ihren Ängsten verraten hatte. Doch sie ließ ihm keine andere Wahl.
»Es gibt etwas von ausreichender Wichtigkeit.« Vincent wandte sich mit all dem aristokratischen Gebaren, das man ihm von Kindesbeinen an beigebracht hatte, an Graces Schwester. »Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Schwester mein Kind unter dem Herzen trägt.«
Lady Wedgewoods Tasse fiel samt Untertasse zu Boden. Ein großer Teefleck breitete sich auf ihrem Rock aus. Sie wurde kreidebleich, während sie die Hände vor den Mund schlug, um einen Schrei zu unterdrücken.
Vincent ignorierte die verstreuten Porzellanscherben und trat noch einen Schritt auf sie zu. »Wenn das tatsächlich der Fall ist, möchte ich nicht, dass Grace jetzt allein ist. Um Tratsch zu vermeiden, ist es unbedingt erforderlich, dass wir so bald wie möglich heiraten. Ich habe bereits eine Sondererlaubnis und mit Reverend Carrington vereinbart, dass er sich den Freitagnachmittag freihält.«
Die Marchioness of Wedgewood musste mehrmals schlucken, bevor sie wieder sprechen konnte. Als sie es tat, klang ihre Stimme schwach und angespannt. »Das ist nicht möglich. Grace kann nicht …«
Vincent hob abwehrend die Hand. »Es genügt wohl, wenn ich sage, Mylady, dass die Möglichkeit durchaus besteht.«
Lady Wedgewoods Bestimmtheit schien ins Wanken zu geraten.
»Ich gebe diese Information nicht leichtfertig preis, Mylady. Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, an die von mir gewünschten Informationen zu gelangen, ohne diese Peinlichkeitzu enthüllen, die Grace ganz sicher für sich behalten wollte, hätte ich es nicht getan.«
Sichtlich erschüttert, ballte Lady Wedgewood die Hände in ihrem Schoß zusammen. »Das wusste ich nicht«, sagte sie. »Grace hat nicht einmal angedeutet, dass …«
»Ich glaube, sie wartet immer noch auf ein Wunder. Ich fürchte nur, es wird nicht eintreten.«
Die Marchioness schnappte nach Luft und fixierte ihn mit ernstem Blick. »Hoffen Sie auch auf ein Wunder, Euer Gnaden?«
Vincent zog die Augenbrauen hoch. »Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch, Lady Wedgewood. Ich habe noch nie an Wunder geglaubt.«
»Ich verstehe«, flüsterte sie und der Griff ihrer Hände war so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
»Deshalb werden wir auch so schnell wie möglich heiraten. Spätestens nächsten Freitag. Ich bin mir sicher, Grace wüsste es zu schätzen, wenn zu einem so besonderen Anlass ihre gesamte Familie zugegen wäre. Wenn es Ihre Zustimmung findet, könnten Sie vielleicht einwilligen, die Zeremonie hier bei Ihnen abzuhalten. Dann könnte das Dinner, das für jenen Abend geplant war, in eine kleine Feier umfunktioniert werden.«
»Natürlich.«
»Und wenn Sie mir nun endlich verraten, wo ich Ihre Schwester finde, mache ich mich sofort auf den Weg.«
Die Marchioness of Wedgewood wischte sich eine Träne von der Wange und verriet ihm, wo Grace sich aufhielt.
Vincent ritt über den durchweichten Boden und ignorierte den dichten Nebel, der mit jeder Meile, die er zurücklegte, undurchdringlicher wurde. Er war bis auf die Knochen durchgefroren. Sie sollte dankbar dafür sein. Vielleicht wäre sein lodernder Zorn durch den kalten Regen abgekühlt, bis er bei ihr ankam.
Viel wahrscheinlicher war jedoch, dass es ihn nur noch mehr verärgerte und die Wut, die in ihm wuchs, noch weiter schürte. Warum zum Teufel
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