Intimer Betrug
Schmerz die Zähne zusammenbiss.
»Die Kugel hat nicht den größtmöglichen Schaden angerichtet, Euer Gnaden.« Herman nahm den Waschlappen weg, um die Wunde gründlicher zu untersuchen. »Aber Sie haben viel Blut verloren. Wir werden das nähen müssen.«
Grace drückte weiter auf die Wunde und bemühte sich nach Kräften, ihren Blick auf etwas anderes zu richten als auf sein Gesicht und seinen nackten Oberkörper. Auf etwas anderes als das, was nur von dem dünnen Laken bedeckt war, das bis tief über seine Hüfte nach unten gezogen war. Es gelang ihr nicht. Er sah genauso aus wie in ihren Erinnerungen an jene Nacht, in der sie bei ihm gelegen hatte. Mit den beeindruckenden Muskeln, die sie noch kannte aus den Stunden, die sie ihn in den Armen gehalten und die Hände über seinen schlanken, festen Körper hatte gleiten lassen. Beim Gedanken daran wurde ihr fast unangenehm warm.
Seine Haut war dunkler als ihre und auf Brust und Schultern fanden sich immer noch Regentropfen. Mit ihrer freien Hand griff sie nach einem Handtuch und trocknete ihm das Gesicht. Er schlug langsam die Augen auf und sah sie an. Sein Blick war dunkel vor Schmerz.
»Maudie ist gleich wieder da«, flüsterte sie und strich mit dem weichen Waschlappen über die Haut. »Bald geht es Ihnen wieder besser.«
»Versprechen Sie mir … nicht von meiner Seite … zu weichen.«
»Ich verspreche es«, gelobte sie, während sie ihn so weit es ging abtrocknete, ohne dabei der Wunde zu nahe zu kommen.
Grace wandte den Blick zur Tür, als Maudie, eine halb volle Flasche unter dem Arm, mit warmem Wasser, Wundsalben und Pasten auf einem Tablett hereingeeilt kam.
»Hier, Mylady«, sagte sie und reichte Grace die Flasche und ein Glas. »Geben Sie Seiner Gnaden ein Glas davon, bevor wir anfangen.«
Grace goss etwas von der Flüssigkeit ein, hob Vincents Kopf an und hielt ihm das Glas an die Lippen. Er trank zwei große Schlucke und ließ den Kopf zurück aufs Kissen sinken.
»Das genügt«, flüsterte er mit rauer Stimme. »Bringen wir es hinter uns.«
Grace ging zur anderen Seite des Bettes, um Maudie den Platz zu geben, die Wunden zu säubern und zu nähen. Vincent folgte ihr mit seinem Blick, als hätte er Angst, dass sie ihn angelogen hätte und beabsichtigte, bei der nächstbesten Gelegenheit die Flucht zu ergreifen.
»Ich säubere zuerst die Wunden, Euer Gnaden«, erklärte Maudie. »Dazu nehme ich Hermans guten Brandy, um sicherzugehen, dass sie sich nicht entzünden.«
Grace brachte es nicht über sich, der Haushälterin dabei zuzusehen. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen.
»Den Brandy ersetze ich Ihnen«, versprach Vincent. Sein Atem ging angestrengter, sein Gesicht war sehr blass. Er ließ sie weiterhin nicht aus den Augen.
»Da nehme ich Sie beim Wort, Euer Gnaden«, versuchte Herman zu scherzen.
Nach kurzem Schweigen sprach Maudie. »Gleich tut es ziemlich weh, Euer Gnaden.«
»Das habe ich… schon vermutet«, keuchte Vincent. »Das hat … guter Brandy … so an sich.«
»Das stimmt«, antwortete Maudie. Sie hatte die Worte »Verzeihung, Euer Gnaden« kaum ausgesprochen, als sie auch schon eine ordentliche Dosis Brandy über die Wunden goss.
Vincents Körper zuckte zusammen, doch er zeigte sonst, abgesehen von einem noch festeren Griff um Graces Finger, keine Reaktion.
»Gleich ist es vorbei«, flüsterte sie ihm beruhigend zu, als Maudie noch eine Portion Brandy auf die blutige, klaffende Wunde goss.
Vincents Gesicht war kreidebleich und von Schweiß bedeckt. Die Anstrengung und der Schmerz forderten ihrenTribut und Grace wusste, dass er kurz davor stand, die Besinnung zu verlieren. Auch wenn ihr klar war, dass es ein Segen für ihn wäre, so wusste sie doch auch, wie heftig er dagegen ankämpfen würde. Die grimmige Entschlossenheit in seinen Augen und die fest aufeinandergebissenen Zähne verrieten ihr, dass er jede quälende Minute bei Bewusstsein bleiben wollte.
»Fast geschafft, Euer Gnaden«, sagte Maudie und fädelte die Nadel ein. »Das Schlimmste haben Sie hinter sich.«
Vincent entspannte sich etwas, aber er atmete immer noch schnell und unregelmäßig.
»Ich gebe mir alle Mühe, vorsichtig zu sein. Ich bin ganz gut im Nähen, aber besonders schön wird es wohl nicht«, erklärte sie und setzte sich auf die Bettkante. »Doch es wird gut verheilen. Das kann ich Ihnen versprechen.«
»Ich habe … vollstes Vertrauen … in Ihre Fähigkeiten«, versicherte ihr Vincent, der sich immer noch auf
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