Intimer Betrug
durchschauen würde. Doch sie wusste, dass er es tat. Und plötzlich wurde ihr klar, wie leicht es wäre, sich in ihn zu verlieben.
In jenem Moment tat sie einen Schwur. Sie schwor, ihm nie einen Anlass zu geben, zu bereuen, wozu sie ihn gezwungen hatte. Sie wollte ihm die beste Ehefrau sein, die beste Gefährtin, die beste Zuhörerin, die beste Mutter seiner Kinder und die beste Freundin. Sie wollte ihm ein Haus voller Kinder, Fröhlichkeit und Liebe schenken. Und immer für ihn da sein, wenn er sie brauchte.
Sie erwartete keine Liebe von ihm. Nicht sofort. Vielleicht auch nie. Doch das war nicht wichtig. Schließlich hatte er schon mehr für sie getan, als sie ihm je vergelten konnte.
Sie senkte den Blick auf seine Hände in ihrem Schoß, die immer noch ihre hielten. Sie hob sie an ihre Lippen und legte sie an ihre Wange.
»Ich werde Ihnen immer dankbar sein«, flüsterte sie. »Und ich verspreche, von heute an jeden Tag dafür zu sorgen, dass Sie es niemals bereuen, mich zur Frau genommen zu haben.«
»So wie ich beten werde, dass Sie es niemals bereuen werden, mich geheiratet zu haben.«
Sie hob den Kopf und sah ihn mit einem Blick voller Gefühl an. Ihr fehlten die Worte, um die Sorgen zu zerstreuen, die sie in seinem Gesicht sah.
»Haben Sie schon gegessen?«, fragte sie, ließ seine Hände los und stellte sich vor ihn.
»Nein. Ich wollte mich gerade ankleiden und zu Ihnen nach unten gehen.«
»Soll ich Ihnen ein Tablett nach oben bringen?«
»Nein. Aber ich brauche Hilfe mit meinen Stiefeln. Vielleicht kann Herman …«
Grace nahm seinen Stiefel und zog ihn ihm über den Fuß.
»Sie geben einen hervorragenden Kammerdiener ab«, scherzte er, während sie ihm auch in den anderen half.
»Danke.« Sie hielt ihm die Hand hin, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Als er auf den Beinen war, ging sie neben ihm und stützte ihn, als sie das Zimmer verließen und die Treppe hinabstiegen.
»Sie machen das sehr gut«, lobte sie ihn, als sie das Esszimmer erreichten. »Aber überanstrengen Sie sich nicht.«
Er rückte ihr einen Stuhl zurecht. »Mir geht es gut, Grace. Das war doch nur ein Kratzer.«
Sie schenkte ihnen beiden Tee ein, während Vincent sich dem Essen widmete, das Maudie auf den Tisch gestellt hatte. »Wenn wir fertig sind«, sagte er und tat sich noch eine Portion pochierte Eier auf den Teller, »machen wir einen Rundgang durchs Haus, damit ich wieder zu Kräften komme.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen hielt sie mit ihrer Tasse auf halbem Wege zum Mund inne.
»Und dann«, fuhr er fort, ihre Besorgnis ignorierend, »möchte ich, dass Sie mir etwas auf dem Klavier vorspielen. Sie spielen nämlich wunderbar.«
Graces Wangen glühten.
Sie aßen in geselligem Schweigen und machten anschließend ihren Rundgang durchs Haus. Als sie damit fertig waren, war Vincent sichtlich erschöpft und ruhte sich auf der Chaiselongueim Salon aus, während sie ihm ein Stück von Haydn vorspielte, das ihr schon immer besonders gefallen hatte.
So würde ihr Leben aussehen. Sie beide in schönster Eintracht, still und zufrieden, während sich zwischen ihnen eine besondere Art von Liebe entwickelte. Grace lächelte, während ihre Finger über die Tasten glitten. Alles würde gut werden. Davon war sie fest überzeugt.
Kapitel 12
E r lief im Korridor vor ihrem Schlafzimmer auf und ab und versuchte mit jeder Faser seines Wesens ihr gedämpftes Stöhnen auszublenden. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und rannen ihm übers Gesicht und in die Augen. Am liebsten wäre er weggelaufen, doch es gab keine Zuflucht für ihn. Keinen Ort, an den ihre qualvollen Bitten um Hilfe ihn nicht verfolgt hätten.
Er straffte die Schultern und lief bis ans Ende des Korridors, nach außen jeder Zoll ein Herzog, obwohl er sich alles andere als herzoglich fühlte. Er hatte gewusst, dass es so kommen würde. Er hatte das schon einmal durchgemacht. Hatte immer gewusst, dass es so kommen würde wie beim letzten Mal. Und das Mal zuvor.
Wellen der Angst türmten sich vor ihm auf und schlugen über ihm zusammen, und die Panik, die in ihm aufstieg, zwang ihn fast in die Knie. Er konnte das nicht noch einmal durchstehen. Würde es nicht überleben.
Seine Beine zitterten. Sein Magen rebellierte, bis er befürchtete, sich übergeben zu müssen. Eine quälende Last drückte auf seine Brust und nahm ihm die Luft zum Atmen. Er konnte nicht danebenstehen, während noch eine Frau bei dem Versuch, ihm einen Erben zu schenken, ihr Leben
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