Intimer Betrug
erführe, dass ich keine mehr bin.«
Grace ignorierte den entsetzten Ausdruck auf Linnys Gesicht.
»Also bin ich zu Hannah gegangen.«
»Zu Madame Genevieve? In ihr Bordell?«
»Ja. Sie hat eingewilligt, jemanden zu finden, der meine Bedingungen erfüllt. Jemanden, der nicht verheiratet ist, den ich nicht kenne und der älter als ich ist. Sie hat Vincent ausgewählt.«
Als Linny entsetzt nach Luft schnappte, erhob Grace sich vom Sofa und lief wie ein gefangener Tiger im Raum auf und ab. »Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich schwanger werden könnte, Linny. Ehrlich nicht. Ich wollte nur der Ehe mit dem Baron entkommen. Meine Jungfräulichkeit zu verlieren war mir nicht so wichtig. Mit meinen dreißig Jahren bin ich weit über das heiratsfähige Alter hinaus. Niemand hat michje eines zweiten Blickes gewürdigt. Und ich habe nicht einmal eine Mitgift, bin in den Augen der meisten Männer wohl kaum begehrenswert. Ich dachte, wenn es … vorbei wäre, könnte ich zurückgehen und bis ans Ende meiner Tage zu Hause leben, ohne dass je jemand davon erfährt.«
»Aber Vater wollte nicht, dass du seiner neuen Frau in die Quere kommst.«
Grace schüttelte den Kopf. »Ja. Deshalb bin ich hergekommen. Aber ich habe immer noch nicht geglaubt …« Sie legte die Hände schützend auf ihren Bauch. Dort, wo Vincents Kind wuchs.
»In jener Nacht hat Vincent bemerkt, dass ich noch Jungfrau war, und sein tiefes Ehrgefühl hat ihn nicht ruhen lassen, bis er mich gefunden hatte. Um sich davon zu überzeugen, dass ich nicht schwanger war.«
»Ich verstehe.«
Grace wirbelte zu ihr herum. »Nein, das tust du nicht. Ach, Linny. Er will mich gar nicht heiraten, aber er hat keine Wahl. Ich habe ihn getäuscht, ihn benutzt, um mich vor Fentington zu retten. Jetzt habe ich ihn in eine Ehe gelockt, die er gar nicht will. Oder sogar noch schlimmer. Er hat wahnsinnige Angst davor, noch eine Frau im Kindbett zu verlieren.«
Sekundenlang rührte Caroline sich nicht. Schließlich hob sie den Blick und sah Grace in die Augen. »Und du? Hast du auch Angst davor, sein Kind zu gebären?«
»Hattest du denn Angst davor, Thomas’ Kinder zu gebären?«
Caroline lächelte. »Nein. Mir war vielleicht ein wenig bange zumute. Ich habe mir sehnlichst gewünscht, es endlich hinter mich zu bringen, vor allem, als ich so dick wurde wie eine Kuh. Aber wirklich Angst hatte ich nie.«
»Ach, Linny. Ich habe nie geglaubt, doch noch zu heiraten, ganz zu schweigen davon, eigene Kinder zu haben. Ich hätte nie gedacht, dass ich so glücklich und gleichzeitig so unglücklich sein könnte. Wie kann ich je erwarten, dass Vincent mir vergibt, was ich getan habe?«
Caroline erhob sich und trat zu ihrer Schwester. Sie griff nach Graces Händen und hielt sie fest. »Das wird er. Nicht jede Ehe beginnt als Liebesheirat und dennoch stellen sie sich meistens als ziemlich gut heraus. Du wirst dich einfach nur besonders bemühen müssen. Zeig Raeborn, dass du fest vorhast, diese Ehe zu einem Erfolg zu machen.«
»Ich weiß nicht so recht wie, Linny.«
»Und ob du das weißt. Du und Raeborn habt es wunderbar hinbekommen, die halbe feine Gesellschaft davon zu überzeugen, dass ihr ineinander verliebt seid.«
»Aber das war aufgesetzt, nur Theater.«
»Ganz sicher nicht alles. Sag mir, dass du nichts für ihn empfindest, Grace.«
Das konnte Grace nicht.
»Es ist offenkundig. Genauso wie es offenkundig ist, dass Raeborn etwas für dich empfindet. Lass nicht zu, dass diese Gefühle nachlassen. Bau auf ihnen auf. Lass sie zu etwas wachsen, das mehr ist als nur Zuneigung.«
»Aus deinem Munde klingt das so einfach.«
»Das ist es nicht, aber dabei nachzuhelfen, kann viel Spaß machen.«
Ihre Schwester sagte es mit einem Augenzwinkern und Graces Wangen wurden ganz heiß. Caroline lachte, nahm Grace in die Arme und drückte sie fest. »Meine Güte, Grace. Ich glaube, ich muss heute Abend beim Dinner besonders freundlich zu Raeborn sein. Ich habe ihm beim Tee schrecklich feindselige Blicke zugeworfen.«
»Das ist mir nicht entgangen.«
»Ich werde dir nichts von den Plänen erzählen, die deine Schwestern geschmiedet haben, um ihn für das zu bestrafen, was er dir unserer Meinung nach angetan hatte.«
Grace wurde leichenblass. »O Caroline, nein. Du musst sie davon überzeugen, dass er keine Schuld trägt. Dass es allein meine Schuld war. Aber sie dürfen nicht wissen, was ich getan habe. Das könnte ich nicht ertragen. Nur du, Linny. Nur
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