Intimer Betrug
sich mit Carolines Ehemann, dem Marquessof Wedgewood, und mit Josies Mann Viscount Carmody. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, das seine Augen jedoch nicht erreichte. Dann blickte er auf und sah sie.
Er brach mitten im Satz ab. Die Erfrischung, die er gerade zum Munde führte, verharrte auf halbem Wege in der Luft. Einen Augenblick stand er schweigend da. Dann stellte er das Glas auf der Ecke eines Beistelltisches ab und kam zu ihr. Doch …
Sein Lächeln kam eine Sekunde zu spät.
Grace atmete tief durch und zwang sich, weiter still stehen zu bleiben. Alles in ihr drängte sie, wegzulaufen. Jeder Muskel war bereit zur Flucht. Doch dann war es zu spät. Er stand nur wenige Zentimeter entfernt vor ihr.
Er überragte sie und strahlte eine überwältigende Dominanz aus. Sie hätte alles darum gegeben zu wissen, was er wirklich dachte. Um etwas anderes zu sehen als diese aristokratische Distanziertheit, die sie bisweilen schon an ihm wahrgenommen hatte, wenn sie allein waren. Um auch nur den winzigsten Hauch von Gefühl zu erkennen. Doch sie sah nichts. Nur eine breiter werdende Kluft zwischen ihnen.
Formvollendet der Etikette folgend, nahm er ihre Hände und hielt sie fest.
Eine Woge aus flüssiger Hitze brandete von ihren Fingerspitzen bis zu den entlegensten Teilen ihres Körpers. Ihr Herz pochte heftig und in ihrem Bauch flatterten tausend Schmetterlinge. Und das nur, weil er sie berührte.
Obwohl sie sich wieder und wieder selbst ermahnt hatte, es nicht zuzulassen, nicht ihr Herz für einen Mann zu riskieren, dessen Liebe unerreichbar war, hatte sie es trotzdem getan.
»Du siehst wunderschön aus, Grace.«
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Danke, Euer Gnaden.«
»Vincent.«
»Vincent«, wiederholte sie. »Ich hatte gehofft, wir hätten einen Augenblick für uns«, flüsterte sie so leise, dass nur er es hören konnte. »Ich muss dir so vieles sagen.«
»Zum Beispiel?«
Sie geriet ins Stottern. »Ich … Ich weiß, das ist nicht das, was du dir für deine Zukunft gewünscht hast.«
Er hob die Augenbrauen und für einen kurzen, flüchtigen Moment konnte Grace hinter der Fassade seine wahren Gefühle erkennen. Was sie sah, erschütterte sie bis ins Mark. Sie zögerte, um ihm Zeit zu lassen, und betete, dass er widersprechen würde. Doch er tat es nicht. Sie atmete tief durch und fuhr fort.
»Du sollst wissen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um dir die beste Ehefrau zu sein, die ich nur sein kann.«
Mit einer höflichen Verbeugung nahm er ihr Versprechen zur Kenntnis. »Und ich werde mein Möglichstes versuchen, dir ein Ehemann zu sein.«
Seine Worte trafen sie hart.
Ich werde mein Möglichstes versuchen, dir ein Ehemann zu sein.
Eine schwere Last senkte sich auf sie und eine düstere Vorahnung raubte ihr den Atem. Ihr Magen rebellierte und sie atmete mehrmals tief durch.
Ich werde mein Möglichstes versuchen …
»Ist alles in Ordnung?«
»J… ja. Alles ist gut.«
Mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen reichte er ihr den Arm und führte sie in den vorderen Teil des Raumes, wo der Geistliche bereits wartete. Rechts und links von ihnen stellten sich ihre sechs Schwestern mit ihren Ehemännern auf. Nur noch ein weiterer Gast war anwesend, Vincents Cousin Kevin Germaine.
Mit besitzergreifender Miene nahm Vincent ihren Arm und stützte sie. Er stand reglos wie eine Statue, während der Geistliche den Gottesdienst hielt. Vincents Antworten waren entschieden und knapp. Feierlich gelobte er, sie zur Frau zu nehmen und in guten und in bösen Tagen zu lieben und zu ehren. Bei dem Versprechen, in Gesundheit und in Krankheit zu ihrzu stehen, zögerte er nur kurz, auch wenn sie nicht glaubte, dass dieser Fauxpas außer ihr irgendjemandem auffiel. Oder dass irgendjemand vermutete, was Grace ganz sicher wusste: Dass der Mann, der gerade gelobt hatte, sie zu lieben, so lange er lebte, seine Worte jetzt schon bereute. Der Mann, der sie soeben zur Frau genommen hatte, tat das nur, weil sie ihm keine andere Wahl gelassen hatte.
Dann war sie an der Reihe. Der Geistliche sprach die Worte und sie fragte sich ganz kurz, was geschehen würde, wenn sie Nein sagte. Wenn sie ablehnte.
Ihr wurde unangenehm warm und sie schloss sekundenlang die Augen und betete, dass die Welt aufgehört haben würde sich zu drehen, wenn sie sie wieder aufschlug. Doch das geschah nicht. Die Welt drehte sich weiter und die Worte, die sie quälten, waren noch da und fanden keinen Ausweg.
Wenn das
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