Intimer Betrug
aufdrängen, vielleicht Caroline oder Josalyn, damit sie für uns einen Ball ausrichten, auf dem ich dich als meine Herzogin vorstelle. Danach werden wir uns an die Gepflogenheiten der Londoner Saison halten, die in vollem Gange sein wird – ein ausgewählter Ball hier und da, die Oper, private Dinner, Soireen, Hauskonzerte. Alles, wo wir zusammen gesehen werden. Und natürlich wird es Sitzungen im Oberhausgeben, an denen ich teilnehmen muss. Wir werden uns erst für die Geburt und dein Wochenbett aufs Land zurückziehen. So werden wir den Klatsch so lange wie möglich auf ein Minimum reduzieren können.«
Grace starrte ihn überrascht an, während sie weiter die Straße entlanggingen. »Du hast wirklich an alles gedacht.«
»Ich bin nur bestrebt, die Spekulationen bezüglich unserer übereilten Heirat möglichst gering zu halten. Nichts weiter.«
Eine quälende Last legte sich schwer auf ihre Brust. Das war ihre Schuld. Er distanzierte sich von ihr und von dem Leben, zu dem sie ihn genötigt hatte, indem er sich in die Details ihrer Hochzeit und ihrer gemeinsamen Zukunft vertiefte, als ginge es um die Details einer geschäftlichen Vereinbarung. Als könnte seine Beschäftigung mit weniger wichtigen Dingen die Umstände in den Hintergrund drängen, die er nicht unter Kontrolle hatte: dass er zur Heirat gezwungen war, obwohl er sich geschworen hatte, es nie wieder zu tun. Dass er eine Frau ehelichen musste, die er nicht liebte, ja, nicht einmal kannte. Dass er gezwungen war, die Schwangerschaft einer weiteren Frau mitzuerleben und mit der Angst zu leben, dass sie bei der Geburt seines Erben sterben könnte.
Sie blieb stehen und wandte sich ihm zu. Ihr wurde plötzlich klar, dass sie diesen Weg der Schuld nicht weiter beschreiten konnte. Derartige Gefühle waren weder für sie noch für das Baby gesund. Was geschehen war, war geschehen. Sie würde nicht bis zur Geburt ihres Kindes durchhalten, wenn sie permanent das Gefühl hatte, sich entschuldigen zu müssen. Für Entschuldigungen war es viel zu spät. Vor ihnen lag ein zu langes Leben, um mit der Reue zu leben, die sie beide förmlich erstickte.
»Da wir noch einen Augenblick allein sind, Vincent, möchte ich dich um einen Gefallen bitten.«
»Ja?«
»Ich möchte dich bitten, dir keine Sorgen mehr um mich zu machen. Ich bin schwanger, nicht todkrank.«
Seine Augen weiteten sich. Er wirkte ehrlich überrascht.
»In den nächsten Monaten werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um dir so wenig Sorgen zu bereiten wie möglich. Und ich verspreche dir hier und jetzt: Ich habe keinerlei Absicht, bei der Geburt deines Sohnes zu sterben. Diesbezüglich brauchst du dich also nicht zu zu sorgen.«
Ohne seine Reaktion abzuwarten, wandte sich Grace wieder zur Kutsche und ließ ihn und seine Ängste hinter sich. Die Tage – vielleicht auch Wochen oder sogar Monate –, die noch vor ihnen lagen, versprachen, sich wirklich sehr lange hinzuziehen.
Grace stand in dem Zimmer, in dem sie immer schlief, wenn sie bei Caroline zu Besuch war, am offenen Fenster. Eine angenehm sanfte Brise hob die zarten Chintzvorhänge und wehte sie in dem dunkler werdenden Raum zu ihr hinüber. Der Nachmittag war fast vorüber, die Stunden nach ihrer und Vincents Ankunft mit eingehenden Diskussionen mit Caroline über die Details ihrer bevorstehenden Hochzeit wie im Flug vergangen.
Zum Glück war jetzt alles geregelt. Alle ihre Schwestern waren über ihre plötzliche Hochzeit informiert und würden morgen früh noch vor der Zeremonie über Wedgewoods Stadthaus hereinbrechen. Ein wahrer Berg an Speisen war vorbereitet worden, zusätzliche Bedienstete eingestellt, Blumenschmuck bestellt. Und nach der Zeremonie war ein üppiges Hochzeitsmahl geplant.
Champagner war bestellt, das beste Silber und Porzellan aufgedeckt. Bestickte Stoffvolants hingen als Dekoration im Ballsaal, um ihn so festlich wie möglich zu gestalten. Caroline hatte innerhalb weniger Tage Wunder bewirkt. Als wäre es ein freudiger Anlass.
Grace war sich nicht sicher, ob sie die Tortur überstehen würde.
Seit ihrer Ankunft hatten sie und Vincent mit ihrer Scharade weiter gemacht, die sie vor Wochen begonnen hatten, um alle davon zu überzeugen, dass sie überglücklich waren. Sie lächelten sich zu, sahen einander oft an und im Ballsaal wich Vincent nicht von ihrer Seite. Doch Carolines Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie nicht überzeugt war. Spannung lag in der Luft, es herrschte eine unbehagliche
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