Intimer Betrug
Grace auf die Straße stolpern sah, hatte ihn wie eine Speerspitze durchbohrt, die ihm durchs Herz gestoßen wurde.
Er hätte sie heute Abend verlieren können. Es wäre fast geschehen, weil er unterschätzt hatte, wie weit Fentington in seinem Wahn gehen würde.
Er musste den Mann finden. Musste seiner habhaft werden, bevor er am Ende Erfolg haben würde, und Grace …
Er riss die Tür zum Arbeitszimmer auf und schloss sie hinter sich.
»Geht es ihr gut?«, fragte Wedgewood. Vincent sah Besorgnis in ihren Gesichtern.
»Ja. Sie hat einen Schreck erlitten, ist aber wohlauf. Hat einer von Ihnen etwas gesehen?«
»Nur, was wir Ihnen schon gesagt haben. Einen kleinen, drahtigen Mann im schwarzen Frack, der durch die Menschenmenge rannte, kurz nachdem Grace auf die Straße gestolpert war.«
Vincent fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und wollte etwas sagen, wirbelte jedoch herum, als Carver die Tür öffnete.
»Mr. Germaine ist hier, Euer Gnaden. Er besteht darauf, Sie zu sprechen.«
»Führen Sie ihn herein, Carver.«
Germaine rannte Carver in seiner Eile fast um. »Wie geht es ihr, Raeborn? Ich war heute Abend in der Oper und habe von dem Zwischenfall gehört. Sie waren so schnell weg, dass keiner wusste, ob Ihre Gnaden bei dem Malheur verletzt wurde.«
»Nein. Grace ist unversehrt. Furchtbar aufgewühlt, aber unverletzt.«
Germaine ließ erleichtert die Schultern sinken. »Gott sei Dank. Ich hatte befürchtet, sie sei vielleicht zu Schaden gekommen. Derartige Unfälle passieren so schnell.«
»Das war kein Unfall. Jemand hat Grace vor die Kutsche gestoßen.«
Germaine sah ihn ersetzt an. »Sie scherzen.«
»Ich wünschte, es wäre so.«
»Wissen Sie, wer es war?«
»Nicht mit Sicherheit. Aber ich glaube, Baron Fentington hatte seine Hände im Spiel.«
»Im Club erzählt man sich, dass Fentington den Verstand verloren hat«, erklärte Germaine und durchquerte den Raum, um sich zu Wedgewood und Carmody zu stellen. »Aber ich hatte keine Ahnung, dass es so schlimm um ihn steht. Von der Gesellschaft geächtet zu werden war wahrscheinlich zu viel für ihn. Daran gibt er zweifellos Ihnen die Schuld. Aber was hat er anderes erwartet? Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde ihn noch einladen, nachdem Sie sein abartiges Verhalten auf dem Ball der Pendletons offen angesprochen haben.«
»Ich fürchte, Sie haben sich einen gefährlichen Feind gemacht, Raeborn«, bemerkte Wedgewood.
Vincent biss die Zähne zusammen und kämpfte gegen das Verlangen an, noch heute Abend loszuziehen und Fentington zu finden. Stattdessen zwang er sich zur Ruhe. »Ich brauche Ihre Hilfe«, wandte er sich an seinen Cousin und seine zwei Schwäger.
»Sagen Sie uns, was wir tun sollen«, bat Carmody, und die anderen nickten zustimmend.
»Ich will ihn. Ich muss herausfinden, wo er sich aufhält.«
»Er ist offensichtlich noch hier in London«, erklärte Wedgewood, während er zu dem Schränkchen mit den Karaffen ging und ein Glas Brandy einschenkte, das er Vincent reichte. »Irgendwer muss ihn in letzter Zeit gesehen haben. Abgesehen von Pinky.«
Carmody nippte an seinem Brandy, während er im Zimmer auf und ab lief. »An Ihrer Stelle würde ich jemanden losschicken, der seinen Landsitz überwacht. Er wird wissen, dass Sie nach ihm suchen, und sich verstecken wollen.«
Vincent ballte die freie Hand zu einer festen Faust. »Daran habe ich auch schon gedacht. Ich heuere jemanden an, der Fentingtons Landsitz beobachtet.«
»Es muss jemand sein, dem Sie vertrauen«, fügte Germaine hinzu. »Haben Sie jemand, der dafür geeignet wäre?«
Vincent führte den Brandy an seine Lippen und trank. Er brauchte den Alkohol, um sich zu wärmen. Jedes Mal, wenn er den Zwischenfall noch einmal durchlebte und Grace auf die Straße stolpern sah, gefror ihm das Blut in den Adern.
»Wenn nicht«, fuhr Germaine fort, »kenne ich einen Mann, einen Mr. Percy Parker. Er war bei den Bow Street Runners, bevor sie aufgelöst wurden. Er hat ein Talent dafür, Leute zu finden, die untergetaucht sind.«
Vincent holte tief Luft. »Können Sie ihn benachrichtigen?«
»Ja.«
Vincent trank einen großen Schluck und spürte das Brennen, als der Brandy ihm durch die Kehle rann. »Gut. Schicken Sie so bald wie möglich nach ihm.«
»Wir anderen halten die Augen offen«, fügte Wedgewood hinzu. »Sie stehen jetzt nicht mehr allein da, Raeborn. In Graces Familie gibt es niemanden, der ihr nicht zu Dank verpflichtet ist und Ihnen nicht gerne Beistand
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